Originaltitel: NÅNTING MÅSTE GÅ SÖNDER

S 2014, 81 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Liebe, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Saga Becker, Iggy Malmborg, Shima Niavarani

Regie: Ester Martin Bergsmark

Kinostart: 26.03.15

1 Bewertung

Something Must Break

Brennpunkt Selbstbestimmung

Vieles, wenn nicht gar alles, an diesem Film ist doppeldeutig, zweiseitig, parallel verlaufend, beginnend mit einer aufblühenden Rose im Vorspann. Dazu erzählt Sebastian aus dem Off, er würde bald verschwinden. Was seinen örtlichen Aufbruch in ein neues Leben außerhalb der ihn umgebenden Enge meinen kann – oder auch, daß es Sebastian bald nicht mehr gibt. Denn in dem androgynen Jungen wohnt ein „Ellie“ getauftes weibliches Ich und fordert stetig mehr Raum zur Entfaltung.

Eines Abends trifft Sebastian jetzt Andreas. Heimlichem Begehren folgen schüchterne Annäherung, nächtliches Tanzen, glühende Blicke, dann erster, erfrischend unverklemmt abgelichteter Sex. Doch direkt danach die Zurückweisung, denn Andreas ist hetero. Voneinander lassen können die zwei vielleicht tatsächlich Zusammengehörenden trotzdem nicht ...

Zwischen freischwebend, Freiheit und freiem Fall inszeniert Ester Martin Bergsmark diese Geschichte, als deren grundsätzlicher Antrieb zwar die große Frage sexueller Identitäten herhält, nicht aber langfristig ihren Motor stellt. Sebastian oder Ellie – völlig egal, beide sind Andreas stärketechnisch überlegen, eine Verbindung auf Augenhöhe nahezu ausgeschlossen. Auf der einen Seite steht Sebastian/Ellie: eingepfercht durch den Alltagstrott sowie die nach außen gütig akzeptierende, innerlich indes scheinheilig erstarrte Gesellschaft, nach Anerkennung suchend, zum Aufbruch bereit. Identisches gilt nun eigentlich für Andreas, allerdings ohne die Aufbruchsbereitschaft, welche der zunehmende Wille zur Normierung ersetzt.

Bergsmark erzählt ohne simple Lösungen, meidet moralische Nerventode, findet ebenso trostlose wie schöne Bilder (oder umgekehrt?), reduziert das Geschehen aufs absolut Wesentliche, selbst wenn dadurch Brüche entstehen, wie das urplötzliche Verschwinden Sebastians bester Freundin. Was andererseits wieder paßt, da die Protagonisten gleichfalls keinem hilfreich vorgepflügten Weg folgen können bzw. zumindest in Ellies Fall auch bloß wollen.

Folgerichtig trifft schließlich sie die endgültige Entscheidung zum Aufstehen und Weitergehen. Andreas hingegen singt „Fading Like A Flower“, womit sich der Kreis zum blühenden Beginn schließt. Etwas ging hier tatsächlich kaputt – fiel eine bigotte Mauer? Brach ein Herz? Verlor jemand den sicher geglaubten Boden unter den Füßen? Wir dürfen es selbst entscheiden.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...