D 2017, 96 min
FSK 12
Verleih: Prokino

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Laura Tonke, Mavie Hörbiger, Ursula Werner, Günther Maria Halmer, Thomas Loibl

Regie: Sonja Maria Kröner

Kinostart: 26.10.17

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Sommerhäuser

Feinfühlige Beobachtung eines Familiengeflechts

Galt der Kleingarten lange als Spießerdomäne, ist er nun als Hort der Freizeit wieder zurück, und das Setzen und Pflanzen, Hecke an Hecke, sind im Kommen. Somit liegt Sonja Maria Kröner mit ihrem sehr persönlichen Debüt, das auf dem Filmfest München als „Bester Film“ ausgezeichnet wurde, mindestens „gefühlt“ sehr richtig. Den Spielplatz ihrer nostalgischen Rückschau auf die 70er Jahre in Westdeutschland siedelt die Filmemacherin in einem gar nicht so kleinen Garten mit drei Sommerhäuschen an, auf die sich alsbald drei Generationen verteilen. Ein Blick in die Gärten des Ostens dieser Zeit wäre sicher ein wenig anders gefärbt gewesen. Ging es im Westen Deutschlands mit dem Wohlstand bergauf, waren die Kleingärtner in der DDR eher aus Mangel an Alternativen auf ihrem Stückchen Grün so zahlreich zugange. Universal sind jedoch die emotionalen Schieflagen, die ein familiärer Aufenthalt auf engem Raum so mit sich bringt. Angereist zur Beerdigung von Oma Sophie, steht man also vor den Überresten des prächtigen alten Baumes, der zeitgleich mit ihrem Ableben zu Boden ging. Ein atmosphärischer Wechsel schwebt über dem kleinen Paradies.

Gekonnt spinnt die Regisseurin feine Fäden der Intrigen, die in der Form bösartig sind, wie sie in den besten Familien vorkommen. Da hat Frieda, die Angetraute Erichs, schon den Verkauf des Grundstücks angeschoben. Für Ilse, seine Schwester, die sich bis zum Tod um ihre Mutter gekümmert hatte, käme dies dem Entzug jedes Lebenssinnes gleich: Was soll denn werden aus uns allen, ohne den Garten? Ilse (ganz wunderbar von Ursula Werner gespielt) war ledig geblieben, und die Nervosität, die sie verbreitet, wenn ihre neue Bekannte, Frau Fischer, auf ein Stück Kuchen vorbeikommt, läßt ahnen, warum. Mathilde, das dritte Kind von Sophie, hat es auch nicht zu Nachkommen gebracht, dafür zu einer gewissen Lebenskunst. Zum Beispiel sonnt sie sich gerne nackt mitten auf dem Rasen.

Kröner versteht es meisterhaft, gemeinsam mit einer gut aufeinander abgestimmten Schauspielerriege mit leisem Humor in Andeutungen zu erzählen. Sie läßt die kleinen Bissigkeiten, Konkurrenzen und Untertöne mäandern, um sie dann ganz natürlich wieder zusammenzuführen. Mal verweilt sie beobachtend bei der Enkelgeneration, die den Garten als großes Abenteuer begreift, mit Baumhaus und auszukundschaftenden Gefahren. Denn das verwucherte Nachbargrundstück, welches einem geheimnisvollen Künstler gehört, ist voller Fetische und skurriler Arrangements aus Plastikpuppen. Dann kehrt sie erzählerisch zu den Erwachsenen zurück, die ihren Befindlichkeiten nachgehen. Aber auch eine ganz reale Gefahr läßt die trägen Sommertage fiebrig vibrieren. Ein Mädchen aus der Nachbarschaft wird vermißt. Dazu kommt noch die Wespenplage, der man versucht Herr zu werden.

Wunderbar meditativ erscheint die Schnittfolge der Sequenzen, die Kamerafrau Julia Daschner mit gekonntem Blick für das entscheidende Detail ins Bild gesetzt hat. Der Zuschauer verliert sich gemeinsam mit den Figuren in der sirrenden Hitze, eingelullt vom Schwirren der Insekten. Bis die schwelende, nicht in Worte zu fassende Bedrohung, die eine Zerstörung der Idylle atmosphärisch ankündigt, sich in einer denkwürdigen Gewitternacht entlädt.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...