Originaltitel: SPIDER

F/Kanada/GB 2002, 98 min
Verleih: Columbia

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Ralph Fiennes, Miranda Richardson, Lynn Redgrave

Regie: David Cronenberg

Kinostart: 10.06.04

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Spider

Ins Labyrinth einer kranken Seele

Man sieht sofort, daß mit ihm etwas nicht stimmt. Während alle Menschen in einem nicht zu bändigenden Strom aus dem Zug steigen, quält sich einer leicht gebückt, unverständlich flüsternd und mit angstvollem Blick auf den Bahnsteig. Dennis Cleg ist nie allein, in seinem Kopf spukt es, quälerische Dämonen leisten ihm Dauergesellschaft. Doch Dennis ist auf dem Weg der Besserung, zumindest was staatliche Resozialisierungsprogramme so darunter verstehen. Er wird in einer betreuten Anstalt aufgenommen. Auch hier ist alles wie in seinem Kopf: düster, abgerissen, verzweifelt. Integrativ zeigt sich hier nur der allgegenwärtige Wahnsinn.

Ansonsten leben die Bewohner dieses Heimes mit Ausblick auf ein Stromkraftwerk mit ihren Stimmen, Geistern und wirren Blicken in einem jeweils ganz eigenen Verlies. Dennis schreibt alles in einer verschwörerisch anmutenden Hieroglyphenschrift in sein kleines Erinnerungsbüchlein. Er wird wieder zu Spider, der kleine Dennis, der ansehen mußte wie seine Mutter vom Vater vor den Augen einer billigen Hure erschlagen wurde. Das Flittchen wohnt von nun an bei den Clegs. Vielleicht aber liegt auch diese Erinnerung ein ganzes Stück neben der Wahrheit, vielleicht lief schon in Spiders Kindheit etwas ganz anderes aus der Bahn. Und vielleicht kam Dennis deswegen jung in vergitterte Obhut ...

David Cronenberg erzählt eine fingernagelschwarze Kindheit nach und findet dabei eine Sprache, die zwar für einen klassischen Cronenberg steht, in ihrer bedrückenden Komplexität aber auch irgendwie an ein Gemeinschaftswerk von Fellini, Kaurismäki, Lynch und Leigh/Loach denken läßt. Ein unruhevolles Bildnis einer schwerkranken Seele, eine oft surrealistisch anmutende Geistesqual erleichtert sich in einer schockierenden Offenbarung und lädt zugleich zur traurigen Resignation ein: manchen Menschen kann nicht geholfen werden.

In diesem schäbigen Labyrinth der Hoffnungslosigkeit fühlt sich Ralph Fiennes aufgefordert, die brillanteste Performance seiner Karriere darzubieten. Mit trockenen Lippen, zerstörtem Herzen und einem im Nirgendwo weilenden Blick saugt er sich beängstigend in dieser kranken, in dieser ausweglosen Seele fest. Eine Meisterleistung in einem großen Film.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.