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Starlet

Ziemlich beste Freundinnen

Selten hat ein Filmpreis wohl so gut gepaßt, denn die zentrale Begebenheit dieses Gewinners des Robert Altman Awards 2013 könnte auch aus einer Kurzgeschichte Raymond Carvers (SHORT CUTS) stammen: Die sorglos in den Tag hineinlebende junge Schönheit Jane macht sich zusammen mit ihrem Chihuahua Starlet auf die Suche nach ein paar netten Sachen für ihr kahles Zimmer im San Fernando Valley, Los Angeles. Sie klappert auf den Tip ihrer Mitbewohnerin Melissa hin ein paar Yard Sales ab und trifft so auf Sadie, eine 85jährige einsame Frau, die für den gewöhnlichen Vorgarten-Small-Talk aber nicht zu haben ist. Dennoch ersteht Jane eine Thermoskanne bei ihr, die sie gedenkt, als Vase umzufunktionieren. „No Refunds!“, knurrt Sadie dem Mädchen noch hinterher, aber Geld zurück hätte Jane sowieso nicht verlangt, denn in der Kanne findet sie über 10.000 Dollar. Als sie die Kanne zurückgeben will, schlägt Sadie ihr die Tür vor der Nase zu. Aber Jane läßt nicht locker und paßt Sadie im Supermarkt und beim Bingo ab, bis diese sie schließlich widerwillig zum Kaffee einlädt. Der Beginn einer wunderbar schwierigen Freundschaft.

Regisseur Sean Baker entfaltet dieses Aufeinandertreffen zweier Welten genauso behutsam wie die Hintergründe, die das Leben seiner beiden charismatischen Protagonistinnen bestimmen. Denn es ist weder unwichtig zu erwähnen noch zu viel verraten, daß Jane ihr Geld als Pornosternchen verdient, ebenso wie ihre beiden Mitbewohner, die ihre viele Freizeit am liebsten Gras rauchend und videospielend verbringen. Das Arbeitsmilieu der Mädchen erzählt der Film fast beiläufig, aber dennoch nicht unkritisch. Ob Sadie versteht, womit ihre neue Bekannte ihren Lebensunterhalt verdient, läßt er offen.

Überhaupt verstehen es Sean Baker und sein Co-Autor Chris Bergoch hervorragend, Erwartungen zu umgehen. Ohne hanebüchene Wendungen weichen sie klischierten dramatischen Zuspitzungen geschickt aus und verlassen sich auf die starke zwischenmenschliche Chemie ihrer Figuren, welche eine ganz eigene, authentischere Dramatik entstehen läßt. Am Ende wartet ein kleiner, großer Ausbruch für beide Frauen, der aber, wie der Rest des Films, angenehm frei von moralischer Bedingtheit bleibt und dadurch umso mehr berührt. Dieser Film ist im besten Sinne ein rundherum ausgewogenes Vergnügen.

Originaltitel: STARLET

USA 2012, 104 min
FSK 16
Verleih: REM

Genre: Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Dree Hemingway, Besedka Johnson, Stella Maeve, James Ransone, Karren Karagulian

Stab:
Regie: Sean Baker
Drehbuch: Sean Baker

Kinostart: 09.05.13

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...