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Stella (2015)

Eltern an den Pranger?

Die titelgebende Protagonistin, 12 Jahre jung, steckt in der Krise: Mama Karin und Papa Lasse bevorzugen, sofern sie sich von Meetings und Terminen losreißen, klar die ältere Schwester Katja, ein Talent beim Eislauf. Darüber hinaus himmelt Stella frühpubertär Katjas Trainer an. Und das Verhältnis unter den Mädels ist zwar eigentlich okay, aber immer häufiger schwankt Katjas Stimmung extrem, bis Stella weiß: Die Schwester leidet an Magersucht. Weil niemand sonst etwas bemerkt, lastet auf Stellas schmalen Schultern plötzlich die Bürde, ihre Familie vorm Zerbrechen zu bewahren.

Wohinter wir da zunächst mal einen gigantischen Punkt machen, ist die grandiose schauspielerische Leistung Rebecka Josephsons; ihre Stella hadert, kämpft, leidet und reift, alles gleichzeitig und derart authentisch, daß man sie tröstend knuddeln möchte. Also: grandios, Punkt. Überzeugend ebenfalls Amy Deasismont als Katja, die innere Schlachten gleichsam berührend echt austrägt, bis hin zur emotional schockierenden Verweigerung selbst eines Glases Wasser. An mangelnder Führung ihrer Jungdarstellerinnen liegt es demnach nicht, daß Regisseurin und Autorin Sanna Lenken – deren eigene Krankheits-Erfahrungen nun die hiesige Basis bilden – im Vergleich dann doch abfällt.

Unbestritten zugestanden: Die Entwicklung eines Menschen verdankt er zu großen Teilen seinen Eltern, und Letztere neigen sicher dazu, Fehler zu begehen, legen häufig gar den Grundstein für aktuelle oder kommende psychische Störungen. Nicht umsonst besagt ein verdammt wahrer Spruch: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.“ Trotzdem macht es sich Lenken mit ihrem Ansatz, Karin und Lasse als allein verantwortliche, geradezu fahrlässig desinteressierte bis ignorant-dumme, sich schließlich fast gegenseitig an die Gurgel gehende Personen zu zeichnen, zu leicht und schielt starr auf den Drama-Effekt. Oder rechnet sie persönlich ab, öffentlich und eher fragwürdigen Weges?

Wir zucken die Schultern und gehen ganz nah zurück zur Inszenierung, um weiterhin festzuhalten: Was hätte man denn erkennen sollen, wenn sich Lenken eben keine krassen Bilder traut, keinen sichtlichen Verfall, keine echten Symptome, abgesehen von einer Kurzablichtung im stillen Kämmerlein?! Katjas durchgängig properen Apfelpausbäckchen sind niedlich, aber auf Magersucht weisen sie wirklich nicht direkt hin.

Originaltitel: MIN LILLA SYSTER

S/D 2015, 95 min
FSK 6
Verleih: Camino

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Rebecka Josephson, Amy Deasismont, Annika Hallin, Henrik Norlén, Maxim Mehmet

Stab:
Regie: Sanna Lenken
Drehbuch: Sanna Lenken

Kinostart: 24.09.15

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...