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Stellas Versuchung

Von einer absehbar gefährlichen Liebschaft

Stella, selbstbewußte Frau des aufstrebenden Psychiaters Max, folgt diesem samt Sohn Charlie an den Ort der Berufung, auf das Gelände einer geschlossenen Anstalt. Er, auf Karriere versessen, verbringt seine Tage mit den Patienten. Sie, sichtlich bemüht den Lebenshunger mit Nikotin in den Griff zu bekommen, fühlt sich in einer konventionellen, abgekühlten Ehe, hinter Mauern und im Nichtstun gefangen. Die Begegnung mit dem Patienten Edgar, einem Bildhauer, markiert den Anfang einer leidenschaftlichen Affäre, die nicht lange unentdeckt bleibt. Als Edgar schließlich aus der Anstalt flieht, nimmt die Geschichte eine wahrhaft bedrohliche Wendung. Daß der Geliebte in einem Anfall von Eifersucht seine Frau getötet hat und der behandelnde Arzt Dr. Cleave eindringlich vor ihm warnt, hat Stella verdrängt. Nun aber ignoriert sie auch die gefährlichen Veränderungen Edgars, den sie heimlich wieder trifft ...

Getreu der literarischen Vorlage des Erfolgsautors Patrick McGrath versetzt Regisseur David MacKenzie das Publikum ins prüde England der ausgehenden 50er Jahre. Die Geschichte, den herrschenden Standesdünkel im Blick (zugespitzt durch das Klassifizieren in psychisch Kranke und Gesunde), ist dramatisch ausreichend versorgt, vortrefflich ausgestattet und solide in düstere, klaustrophobische Szenen gesetzt. Der Kamerablick heftet sich zuweilen mit einer Intensität an die Figur der Stella, daß der Eindruck entsteht, die Nahbeobachtung sei ein probates Mittel ihren Seelenzustand zu ergründen. Das brillante Spiel von Natasha Richardson macht jedoch glaubhaft, daß es für eine solche Obsession keine Erklärung gibt.

Überdies läßt der Plot der Protagonistin kaum Zeit, zu sich zu kommen. Wenngleich insgesamt in gemessenem Tempo, steuert die Handlung allerdings sehr geradlinig auf ihr unerfreuliches Ende zu, und für den wachen Zuschauer ist es auch weniger ein Twist In The Tale, denn eine absehbare Auflösung, wenn der Film schlußendlich eine andere Person ins Zentrum rückt. Unentschieden pendelnd zwischen der Inszenierung einer erotischen Besessenheit und dem Erzählen einer dramatischen Liebesgeschichte, sind MacKenzies 100 Minuten ein bißchen ermüdend.

Originaltitel: ASYLUM

GB/Irland 2005, 100 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Liebe, Literaturverfilmung

Darsteller: Natasha Richardson, Ian McKellen, Marton Csokas

Regie: David MacKenzie

Kinostart: 05.04.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.