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Suicide Club

Sinnbefreiter Nippon-Schocker

54 Schulmädchen springen eines schönen Maitages händchenhaltend vor den Tokio-Express, Knochen knacken, Blutfontänen spritzen, und der Bahnsteig mit eben noch wartenden und nun hysterisch schreienden und fliehenden Reisenden wird vom Lebenssaft der eben von Rädern Zermalmten überschwemmt.

Regisseur Shion Sono schickt schon in der ersten Szene alle zum Waschraum. Regelrecht sauber hingegen geht es in einem Krankenhaus zu, wo kurze Zeit später zwei Schwestern plötzlich verschwinden und geöffnete Fenster, wehende Vorhänge und Stromausfälle den Nachtwächter das Gruseln lehren. Nach solch fulminantem Intro geht es todesmutig weiter. Die Massenselbstmorde japanischer Schüler reißen nicht ab und versetzen das ganze Land in Schrecken. Hier und da springt ein lächelnder Teenie vom Dach, andere hängen sich auf oder stecken ihren Kopf in den Backofen. Die Polizei steht vor einem Rätsel. Handelt es sich um raffiniert getarnte Morde, steckt ein Kult hinter dem Ganzen, was hat die Teenie-Pop-Band "Dessart" mit dem Ganzen zu tun? Als die Beamten den Hinweis auf eine geheimnisvolle Web-Site erhalten, wähnen sie sich in ihren Ermittlungen einen Schritt weiter É

Der Film Sonos wird nach BATTLE ROYALE als "nächster kontroverser Schocker aus Japan" gehandelt. Schockierend ist er tatsächlich, kontrovers überhaupt nicht. Anhänger solcher Genres wie Horror, Splatter und Trash werden unglaubwürdige Szenen wie jene monieren, in denen von Hochhäusern gefallene Japaner platzen, und auch narrativ nur Fetzen finden. Die anfänglich noch nachzuvollziehende Erzählung verliert sich allmählich in einer Schlachteplatte, in der mancher wohl noch eine symbolträchtige Bildkonstruktion erkennen mag, keinesfalls aber eine Erzählstruktur. Allen anderen wird unterdessen schon übel sein. Zugegeben ambitioniert versucht Sono sich in der Fragestellung.

Wenn SUICIDE CLUB aber eine Auseinandersetzung mit der zunehmenden Isolierung und dem Verlust der Kommunikationsfähigkeit in modernen Gesellschaften sein sollte, dann hat die Regie versagt und ist einer Drastik der Darstellung erlegen, die zuweilen fast lächerlich genannt werden kann. Eine solche Lächerlichkeit wiederum ist ob der Tragik des Themas schwer nachzuvollziehen. SUICIDE CLUB wird Fans des extremen Nippon-Kinos enttäuschen und vielleicht verärgern. Allen anderen sei anderes zum Thema empfohlen, z.B. ALL ABOUT LILLY CHOU-CHOU, ebenfalls aus Japan.

Originaltitel: JISATSU CIRCLE

J 2001, 100 min
Verleih: WVG Medien

Genre: Trash, Horror, Schräg

Darsteller: Ryo Ishibashi, Akaji Maro, Masatoshi Nagase

Regie: Sion Sono

Kinostart: 03.11.05

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.