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Supertex – Eine Stunde im Paradies

Was ist ein Jude in einem Porsche?

Max Breslauer ist um die dreißig, wohlhabend, Geliebter der aufregend schönen Esther und Erbe des titelgebenden Textilunternehmens. Sein Vater Simon, galizischer Jude aus einfachen Verhältnissen und Überlebender des Holocaust, hat die Billig-Kette zum internationalen Erfolg geführt. Herzlich aber despotisch herrscht er über Firma und Familie. An seiner Sturheit scheitern die hochtrabenden Finanzkonzepte des ehrgeizigen Sohnes, an seinem bestimmenden Charakter leidet Max, während sich der unbedarfte Bruder Benjamin vorerst artig mit Gegebenheiten und Erwartungen abfindet, zum Beispiel mit einer netten, jüdischen Verlobten.

Die Entdeckung, daß der Vater seit Jahren eine Geliebte hat, Esthers plötzliche Hinwendung zum Glauben und schließlich der Tod des alten Herrn stürzen Max in eine Identitätskrise. Das zumindest bemüht sich Regisseur Jan Schütte mühsam glaubhaft zu machen, denn darum geht es in Leon de Winters Roman, der hier als Vorlage diente. Daß zwei sich ähneln können, ohne auch nur entfernt verwandt zu sein, beweist Schüttes Adaption schrecklich eindrucksvoll.

Ein Jude in einem Porsche am Schabbes - mit diesem Selbstbild schickt de Winter seinen Max zur Psychiaterin, um sich widersprüchliche Gefühle, Sexprobleme und irgendwie auch ein paar tausend Jahre jüdische Geschichte von der Seele zu reden. Den Regisseur eingeschlossen, machten sich insgesamt drei Leute daran, aus diesem gewitzten Psychogramm eine lieblose Filmhandlung zu destillieren, die brav Anekdoten wiedergibt: Esther und Max in Israel, Benjamin als Mobilklo-Unternehmer in Casablanca, Fleischkroketten und Kanaldeckel. Schütte reiht fleißig Szenen aneinander und kommt nicht auf den Punkt - eine entkernte Geschichte mit Gags aber ohne Witz und Höhepunkte.

Während de Winter mit Busineß-Jargon und jiddischen Alltagsweisheiten ganz frech und leicht von Identität und seltsam wuchernden historischen Wurzeln erzählt, plaudert Schütte im Jargon der Beiläufigkeit. Das ist nicht nur ermüdend, sondern noch nicht einmal eine originelle Sprache.

D/NL 2003, 95 min
Verleih: Solo Film

Genre: Literaturverfilmung, Komödie

Darsteller: Stephen Mangan, Jan Decleir, Ana Geislerová, Maureen Lipman

Regie: Jan Schütte

[ Sylvia Görke ]