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Take This Waltz

Die Liebe als Spiel mit Höchsteinsatz

Margot ist 28, etwas verhuschte Autorin und liest Bücher wie „Dreaming Of Hitler.“ Gleich zu Beginn sehen wir sie Muffins backen. Die Hitze flirrt, der Ventilator weht träge dagegen an, Margot lehnt am Ofen und hat diesen ganz speziellen Blick. Sehnsüchtig, suchend. Kurz darauf lernt sie Daniel kennen, einen feschen Burschen, offensichtlich stark interessiert, sogar Selbstbekenntnisse à la „I’m Afraid Of Being Afraid!“ ernst nehmend und auch noch greifbar, weil direkt nebenan wohnend. Alles könnte sich zum Guten wenden – gäbe es da nicht Lou. Seit fünf Jahren Margots Mann.

Eine völlig alltägliche Geschichte hat sich Schauspielerin Sarah Polley für ihre zweite Regie- und Drehbucharbeit nach dem grandiosen AN IHRER SEITE ausgesucht und erneut Großes daraus gezaubert. Polley erzählt vom Erwachen einer jungen Frau, also eigentlich etwas Schönem, verpackt allerdings in einer kratzbürstigen Hülle voller kleiner Widerhaken. Ganz langsam, ohne jede Aufregung, bekommt das Zusammensein von Margot und Lou mechanische Risse, das Liebesritual in Form spielerischer Neckerei zeigt bald Gezwungenheit, der Sex gerät zur Fitneßübung, selbst das Essen nervt. Und man fragt sich: Hat es eigentlich jemals gepaßt zwischen diesen zwei Menschen? Polley läßt das offen, wie auch viele andere Fragen: Wie kam es überhaupt zu jener frühen Ehe? Warum erkennt Lou zwar die Veränderungen, bringt selbige jedoch nie zur Sprache? Was treibt Daniel primär an?

Keine Antworten nirgends, das eigene Fühlen und Denken werden gefordert, während Margot immer tiefer in eine Spirale aus Verlangen versus beschauliche Behaglichkeit rutscht, was Polley erneut so zurückhaltend und gleichzeitig offen wie möglich inszeniert. Mit beispielsweise einer Verbalsexszene, von der Kamera spielerisch eingefangenen Augenkontakten oder nackten Körpern, aus denen sich Seelen entblößen. Lesbar außerdem als Spottschrift auf eine Zeit, welche Perfektion zum Ideal erhoben hat, Kompromisse inakzeptabel findet, weswegen es immer heißt: alles. Punktum.

Wie eben bei Margot. Sie soll schließlich bekommen, was sie letztlich mehr braucht – und zwangsweise trotzdem verlieren. Im Zuge eines unglücklichen Happy Ends, das Polley vielleicht etwas arg in die Länge entgleitet, indes zu einem jener seltenen Finalbilder der Kategorie „Tiefgängig, nachhallend, beeindruckend“ führt.

Originaltitel: TAKE THIS WALTZ

Kanada 2011, 116 min
FSK 12
Verleih: Kool

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Michelle Williams, Luke Kirby, Seth Rogen, Sarah Silverman, Jennifer Podemski

Stab:
Regie: Sarah Polley
Drehbuch: Sarah Polley

Kinostart: 07.03.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...