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The Green Wave

Trauerarbeit und Selbstbehauptung

Die Farbe des Protestes ist die Farbe des Propheten. Ein Meer aus Grün zog nach den Wahlen im Jahre 2009 durch die Straßen von Teheran. Der Damm, hinter dem der Unmut ob politischer und wirtschaftlicher Mißstände im Land sich lange angestaut hatte, brach, als die iranischen Staatsmedien den erneuten Sieg des amtierenden Präsidenten Ahmadinedschad verkündeten. Das Wort „Wahlbetrug“ machte schnell die Runde. Die Kommunikation über Handy und Internet mobilisierte in kürzester Zeit Tausende von Demonstranten. Revolution lag in der Luft. Kein Prager, sondern ein Persischer Frühling brach an. Plötzlich schien Zukunft möglich. Veränderung. Freiheit. Worauf Ahmadinedschad reagierte, wie eben immer alle Diktatoren jedweder Couleur reagieren. Mit brutaler Gewalt.

Von der Hoffnung und wie diese zertreten wurde, davon erzählt der in Köln lebende Exil-Iraner und Regisseur Ali Samadi Ahadi in THE GREEN WAVE. Eine dokumentarische Collage, ein Essay in Bildern. Ein Stück Trauerarbeit und eine trotzige Selbstbehauptung. Das ist berührend, erschütternd, zum Verzweifeln und wütend werden. Und wenn sonst in einem Dokumentarfilm höchste Vorsicht geboten ist bei der Verwendung artifizieller Suggestivmittel, so ist das in diesem Falle absolut legitim. Die Arbeit mit Animationssequenzen nämlich schuldet sich hier nicht nur dem Umstand, daß es etwa von den barbarischen Brutalitäten in iranischen Gefängnissen selbstredend keine und von den Straßenprotesten und den dagegen vorgehenden Sicherheitskräften nur schlechte, meistenteils mit Handy gefilmte Aufnahmen gibt.

Vielmehr vertieft THE GREEN WAVE mit diesem Kunstgriff das Dokumentieren des Faktischen zu einer emotionalen Schicht hin, aus der mehr entspringt als der Reflex der Empörung. Klar ist auch, daß keine mit Schauspielern und in Kulissen nachgestellte Wirklichkeit das so könnte. Eine Szene, in der etwa ein Gefängnisaufseher im Gewaltrausch einen jungen Häftling vergewaltigt, oder Bassidsch, des Regimes berüchtigte Motorradmilizen, ein Kind auf der Straße blutig, vielleicht tot, prügeln, wäre auf andere als diese verfremdete, da animierte Form, schnell spekulativ, gar obszön.

Hier ist es das Gegenteil: die vielleicht einzig adäquate Art, von der bitteren Wahrheit zu berichten.

D 2010, 80 min
Verleih: Camino

Genre: Dokumentation, Polit, Animation

Regie: Ali Samadi Ahadi

Kinostart: 07.04.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.