Originaltitel: THE IMPOSSIBLE

Spanien/USA 2012, 103 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Familiensaga, Schicksal

Darsteller: Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Geraldine Chaplin

Regie: Juan Antonio Bayona

Kinostart: 31.01.13

37 Bewertungen

The Impossible

Bild- und tongewaltiges Emotionskino in Reinkultur

Es ist Weihnachten. Da ist der Ärger schnell verflogen, daß es eben nicht das Zimmer mit Meerblick im dritten Stock wurde, das Studio ebenerdig und direkt am Strand ist ja auch nicht übel. Die Freude über das neue Teleskop, den Schal und das Tennisspiel ist bei Maria, Henry und ihren drei Söhnen groß. Das harmonische Fest wird abgerundet vom Postkartenmotiv des sternenklaren Himmels über Khao Lak – Vollmond im Einklang mit Hunderten von Himmelslaternen. Daß die Geschenke, das Ersatzdomizil, Henrys Sorge um seinen Job und der schnelle Sonnenbrand bald so gar keine Rolle mehr spielen, ahnt bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag keiner. Es ist der 26. Dezember 2004, als in Südostasien Hunderttausende Menschen sterben, als die Bennetts mit einer Wucht auseinandergerissen werden, kurz nachdem Maria den Tsunami auf das thailändische Badeparadies zukommen sah, panisch nach dem großen Sohn Lucas rief und im nächsten Moment selbst von den Wassermassen mitgerissen und gegen eine zerberstende Glaswand geschleudert wurde.

So viel vorweg: Wann haben Sie das letzte Mal ein Kinostück gesehen, das einem den Atem nimmt, das für knapp zwei Stunden derart auf die Brust drückt, daß man festgekrallt im Kinosessel völlig vergißt, doch „nur“ Zuhörer und Zuschauer einer Geschichte zu sein? Eben! THE IMPOSSIBLE ist einer der wenigen Filme, in dessen Nukleus zwar eine astreine Natur-katastrophe steht, der aber dennoch ein stark auf Charaktere zugeschnittenes Drama, eine geradezu epische Geschichte von Todesangst und Überlebenswillen erzählt. Das ist nicht wenig, stimmt, aber Juan Antonio Bayona gelingt es, vom ersten bis zum wirklich letzten Bild konzentriert in emotionaler Bandbreite zu erzählen. Es geht in seiner Geschichte auch um Liebe und noch mehr um den geradezu archaischen Kampf ums Leben.

Maria und Lucas finden sich in den tobenden Fluten wieder. Allein wie das Zusammenkommen der beiden gefilmt ist, sorgt für Beklemmung und Tränen. Sie wurden – teils schwer verletzt – ins Landesinnere getrieben. Auch Henry hat mit den anderen beiden Söhnen überlebt, sie befinden sich in der komplett zerstörten Gegend des Hotels. Die Suche der Familie beginnt ...

THE IMPOSSIBLE liefert Zeugnis einer großen, grenzenlosen Humanität: Nationalitäten spielen im Ausnahmezustand so gar keine Rolle, und einmal mehr sind es die ganz einfachen, fast mittellosen Menschen, die hier für die heutzutage altmodisch gewordene Solidarität stehen. Beeindruckend, wie es dem Film auch gelingt, das Chaos, die Angst und die Wehr gegen die Zerstörung regelrecht nachempfindbar zu machen, und daß er zeigt, wie diese fiese Laune der Natur den doch sehr spartanisch ausgestatteten Kliniken des Landes ein auch immenses logistisches Geschick abverlangte. Der Blick in das dunkle Herz einer für den Betrachter noch immer unfaßbaren Katastrophe zeigt in gewaltigen Bildern und mit einem klug orchestrierenden Ton, was der Mensch im Kräfteverhältnis zur unbändigen Natur ist: nichts. Die Tsunami-Bilder gehen in den Bauch, die Kraft des Wasser knallt auf den ebenso unbändig scheinenden Willen des Menschen zu überleben. Da spürt Maria vor Angst, Wut und Lebensgier gar nicht die schweren Verletzungen, die unzähligen Hämatome. Sie ist das angeschossene Muttertier, das in dem Moment nur noch eins will: zu ihrem Jungen.

Juan Antonio Bayona ist ein Thrillerspezialist, einer, der zu gut weiß, wann die richtigen Knöpfe zu drücken sind. Dieses Talent spielt er mit Bravour aus und verbeugt sich zudem vor einem ganz großen Kollegen. Eine der starken Szenen mit eindeutigem Spielberg-Touch ist die, als Lucas im Durcheinander des Krankenhauses Listen fertigt, Namen ruft, aufschreibt und versucht, Familien zusammenzubringen ...

Das rührt an, das ist Emotionskino in Reinkultur, das ist genau das, was man den zweifellos brillanten und – staune! – nicht am Computer gefertigten Bildern der Naturkatastrophe zur Seite stellen muß.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.