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The Voices

Schmetterlinge im Bauch und Köpfe im Kühlschrank

Jerry vermißt seine Schmetterlinge. Einst flatterten sie immer so schön bunt und sanft um ihn herum. Doch seit einiger Zeit hat es sich ausgeflattert. Weg sind sie, denn der psychisch nun leider nicht nur leicht gestörte junge Mann wird mal wieder mit Psychopharmaka auf normal getrimmt. Im Rahmen eines Resozialisierungsprogramms unter der regelmäßigen Kontrolle einer Psychiaterin, mit eigener Wohnung und einem Job in der Milton Bathtub Factory, einer – der Name verrät es – Badewannenfabrik. Was so grau und freudlos klingt, wie es dann auch ist. Ein paar der Schmetterlinge wären da schon schön. Also setzt, um nicht verrückt zu werden am normalen Leben, Jerry die Medikamente heimlich ab. Und siehe da: Bald sind sie zurück, die bunten Flatterfreunde. Vor allem auch in Jerrys Bauch. Schuld daran allerdings ist die schöne Fiona aus der Buchhaltung.

Klingt doch herrlich rührend, sensibel, ein wenig poetisch auch, oder? Ganz nach sanfter Romanze mit nachdenklich tragikomischem Touch. Was Frauen gerne sehen und drehen, könnte man sagen. Klischeegestählt, wie man so ist. Nur daß THE VOICES-Regisseurin Marjane Satrapi ja auch schon PERSEPOLIS zu verantworten hat. Also einen Film, der sich seinem Thema aufs Eindrücklichste jenseits auch aller formalen Klischees annahm.

Genau das vermag jetzt auch THE VOICES. Und zwar mit einem Ideenüberborden, Hakenschlagen und Kobolzschießen, wie man es wahrlich nicht allzu oft erlebt. Denn mögen die Schmetterlinge das eine sein, was Jerrys Medikamente-Verweigerung mit sich bringt, so ist das andere, daß in dem netten Mann aus der Badewannenfabrik bald Gut und Böse wie Hund und Katze miteinander im Clinch liegen. Was auch daran liegt, daß Jerrys Mitbewohner Bosco (guter Hund) und Mr. Whisker (böse Katze) dem armen Kerl weitreichende Ratschläge erteilen. Wovon nur eine Folge ist, daß sich bald nicht nur Fionas Kopf in Jerrys Kühlschrank wiederfindet.

Womit THE VOICES zu einer der buntesten schwarzen Komödien der Filmgeschichte wird. Ein Dance Macabre, der glatt bis Bollywood wirbelt. So lustig kann Kopflosigkeit sein. Oder anders gesagt: Norman hatte seine Duschkabine, Jerry eine ganze Badewannenfabrik. Soll heißen: Die Kunst der Übertreibung beherrscht Satrapi hier schlicht hinreißend. Ein Film, nach dem einen Schmetterlinge umfliegen.

Originaltitel: THE VOICES

USA/D 2014, 109 min
FSK 16
Verleih: Ascot

Genre: Psycho, Tragikomödie

Darsteller: Ryan Reynolds, Gemma Arterton, Anna Kendrick, Jackie Weaver

Regie: Marjane Satrapi

Kinostart: 30.04.15

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.