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Timbuktu

Mörder im Namen Gottes

Das Leben in der Wüste ist hart. Doch seitdem islamische Radikale den Alltag der Bewohner Timbuktus, einer Region im afrikanischen Mali, bestimmen, gesellt sich zu Hitze und Dürre auch noch Unterdrückung. Bauer Kidane, der mit Frau, Tochter und einem Hirtenjungen in den Dünen lebt, kann sich noch an gute Zeiten erinnern, bevor die Nachbarn ihre Zelte fluchtartig verließen, und sie abends gemeinsam sangen und feierten. Doch nun stehen alle Zeichen auf Alarm. Zufällig immer dann, wenn der Vater fort ist, hält der große Geländewagen vor dem ärmlichen Zelt der Familie. Männer in langen Gewändern weisen die Mutter darauf hin, ihr Haar zu bedecken. Die Regeln, die die Islamisten an den Tag legen, entbehren des gesunden Menschenverstands. Alles, was das Leben schön macht, ist verboten: Musik, Tanz, Liebe. Dabei sind die Bewohner Timbuktus streng gläubig. Doch der Gott, der sie nun führen soll, ist ein anderer. Selbst der Imam der Stadt bittet die Gotteskrieger in ruhigem Ton, die Menschen in Ruhe zu lassen; diese erdulden ohnmächtig das Terrorregime, werden aber immer mehr zu Schatten ihrer selbst. Nur manchmal, zum Beispiel, wenn Jugendliche ohne Ball Fußball spielen, weil selbst Sport untersagt ist, sind die Mächtigen machtlos.

TIMBUKTU spiegelt eine Welt, die uns aus schaurigen Fernsehreportagen durchaus präsent ist. Menschen wird ein freiheitsraubender Glauben mit mittelalterlichen Methoden quasi aufgezwungen: Peitschenhiebe, Steinigung, Mord. Der mauretanische Regisseur Abderrahmane Sissako, der TIMBUKTU in diesem Jahr beim Filmfestival in Cannes vorstellte, erzählt von seiner Heimat, die er selbst nicht mehr versteht. Vor zwei Jahren hörte er von einem Vorfall in einem Städtchen im Nordosten Malis, wo ein Paar in den Dreißigern ermordet wurde. Ihr Verbrechen: Sie waren nicht verheiratet. Sie hinterließen zwei Kinder. Der Schock über diese Nachricht steckt Sissako noch in den Knochen, als er den Film dreht. Als sein Bauer Kidane selbst ein Verbrechen begeht, steigert er die Sinnlosigkeit dieser Diktatur ins Unerträgliche.

In TIMBUKTU gibt Sissako den Opfern eine Stimme, läßt aber auch die Täter nicht im Dunkeln. Die meisten von ihnen sind selbst jung, sie diskutieren über Fußball und rauchen heimlich hinter Dünen, denn auch sie sind den Regeln des Systems ausgeliefert. Was sie eigentlich antreibt, bleibt unklar. Dieses Fragezeichen im Kopf hinterläßt eine schmerzliche Leere, auch wenn keine Erklärung der Welt dieses Morden im Namen Gottes verständlich machen würde.

Originaltitel: TIMBUKTU

F/Mauretanien 2014, 97 min
FSK 12
Verleih: Arsenal

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Ibrahim Ahmed dit Pino, Toulou Kiki, Abel Jafry

Regie: Abderrahmane Sissako

Kinostart: 11.12.14

[ Claudia Euen ]