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Tödliche Entscheidung

Verbrechen lohnt sich nicht

Das erfahren zwei ungleiche Brüder, Andy und Hank, auf äußerst bittere Weise. Beider Leben ist gerade dabei, leise aber sicher außer Kontrolle zu geraten. Wieso also nicht mit einem kleinen Verbrechen, bei dem freilich keiner zu Schaden kommen soll, alles rumreißen. Doch der Juwelierladen, den sie ausrauben wollen, ist nicht irgendein Juwelierladen und der Schaden so groß, wie er nur sein kann. Ein Stoff, der, entsprechend lakonisch und surreal erzählt, auch gut zu den Coen-Brüdern gepaßt hätte. Der Thriller, den Sidney Lumet daraus baut, ist zwar etwas ganz anderes, aber ebenso fesselnd: eine düstere Familientragödie um Schuld, Verzweiflung und Rache, die einen im Nacken packt wie die Hand das Kätzchen.

Wie viele gute Filme basiert allerdings auch dieser auf einem guten Drehbuch, und die Autorin soll hier nicht vergessen werden: Kelly Masterson. Es ist doch schön, wenn eine Debüt-Autorin mit Elan auf einen so sicheren Regisseur trifft. Über 50 Jahre sind seit Lumets Klassiker DIE 12 GESCHWORENEN vergangen. Aber die Vorgabe, nicht leichtfertig über die Täter zu entscheiden, bleibt ihm erhalten. Nur nützt es den Protagonisten nicht mehr viel. Wenn überhaupt, können sie noch auf Vergebung hoffen. Die Geschworenen sind nun die Zuschauer, die aus verschiedenen Perspektiven die Ereignisse um den Überfall mehrfach erzählt bekommen. Das Lasso wird immer wieder ausgeworfen, bis die Geplagten eng zusammengeschnürt daliegen.

Für Philip Seymour Hoffman als Andy bringt das eine weitere Paraderolle. Als erfolgreicher Unternehmensberater hat er am Anfang etwas Diabolisches, wenn er mit scheinheiligem Lachen seinen kleinen Loser-Bruder - Ethan Hawke als Hank - in die Sache rein zieht. Doch in einem ruhigen Moment beginnt die Figur aufzubrechen: Andy ist in der Wohnung seines Dealers für einige Augenblicke alleine mit dem Ausblick auf die New Yorker Skyscraper, die im milchigen Tageslicht aber eher wie Phantome wirken. Ein Mann, der in seinem Leben alles nur mit sich ausgemacht hat und dessen Selbstverwirklichungstraum nun definitiv ausgeträumt ist.

Nicht nur in dieser Hinsicht handelt es sich um einen durchaus amerikanischen Film. Auch weil in jeder Schublade ein Revolver liegt. Und an den sollte man besser nicht rühren.

Originaltitel: BEFORE THE DEVIL KNOWS YOU’RE DEAD

USA 2007, 117 min
FSK 16
Verleih: Koch Media

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Albert Finney

Regie: Sidney Lumet

Kinostart: 10.04.08

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...