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Un homme qui crie

Kinoentdeckung aus dem Tschad

Zwei Männer, im Wasser eines Pools. Adam, der Vater, und Abdel, sein Sohn. Und wie sie lachen, sich gegenseitig aufziehen, miteinander sprechen – das zeugt von einer einvernehmlichen, ganz entspannten, da ihrer selbst gewissen Liebe zueinander. Nähe ohne Enge, Respekt ohne Ehrfurcht. Ja, so etwas kann man ganz unprätentiös zeigen. In einer einzigen Kameraeinstellung, einer einzigen Szene.

Mit der eröffnet UN HOMME QUI CRIE von Mahmat-Saleh Haroun. Der erste Langspielfilm aus dem Tschad, im letzten Jahr ausgezeichnet mit dem Großen Preis der Jury in Cannes. Um es damit auch schon gut sein zu lassen mit der Statistik. Kommen wir zum Eigentlichen: Jeder, der wieder mal erleben möchte, was Kino im Kern ist, welche Klarheit dieser Kunstform innewohnt, wenn sie sich entschlackt von aufgeblasenem Entertainment oder bleischweren Verkündigungen, sollte unbedingt in UN HOMME QUI CRIE gehen. Und wer vor einigen Jahren Regisseur Harouns BYE BYE AFRICA gesehen hat (Arte machte es möglich), der konnte trotz aller produktionstechnisch bedingten Mankos des Films schon ahnen, daß da ein Könner am Werk ist, der weiß, was und vor allem wie er erzählen will.

Wie gut Haroun das nun tatsächlich beherrscht, zeigt jetzt UN HOMME QUI CRIE: Adam, der einstige Schwimm-Champion, arbeitet gemeinsam mit Abdel als Poolwächter in einem Luxushotel in N’Djamena, der Hauptstadt des Taschad. Eine Arbeit, die Adam mit der Würde eines Hohepriesters verrichtet. Was nichts nützt – der Sohn, so will es die Hotelleitung, wird alleine den Platz am Pool einnehmen. Der Vater wird aus dem Herzen der Hotelanlage an deren Peripherie verbannt; weggespart zum billigen Schrankenwächter an der Auffahrt. Eine Demütigung, die an Adam frißt und ihn zu einem Schritt verleitet, der in einer Tragödie mündet.

Eine Tragödie, in der sich zunehmend das Private mit dem Politischen verknüpft. Doch nichts daran ist hier aufgesetzt! Alles entspinnt sich aus einer Position genauen Beobachtens. Da ist der Bürgerkrieg lange erst nur mediales Echo von fernen Landesgrenzen, samt im Wasserbecken planschender UN-Soldaten. Gespenstischer Scheinfrieden auf kurze Zeit. Wie auch Adams kleines Glück am Pool-Rand, den er sich noch einmal intrigant zurückerobert. Ein Glück, das keins mehr ist, weil es gallig schmeckt. Nach Verrat, nach Schuld und unwiederbringlichem Verlust. Adam – nur noch ein gebrochener Mann, der weint.

Originaltitel: UN HOMME QUI CRIE

Tschad/Belgien 2010, 92 min
Verleih: Cine Global

Genre: Drama

Darsteller: Youssouf Djaoro, Dioucounda Koma, Hadje Fatime N´Goua

Regie: Mahmat-Saleh Haroun

Kinostart: 28.04.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.