Noch keine Bewertung

Unkenrufe

Thanatos trifft Eros

Zur Versöhnung ist es nie zu spät, und wenn sie im Tod stattfindet! Ein polnisch-deutscher Versöhnungsfriedhof in Danzig ist insofern zwar eine groteske, aber keine schlechte Idee, um die Völkerverständigung voranzutreiben und Schluß zu machen mit der gegenseitigen Aufrechnung historischer Untaten. Günter Grass schenkte sie den Protagonisten seiner Erzählung "Unkenrufe".

Ein deutscher Kunsthistoriker besucht 1989 erstmals seine Geburtsstadt Danzig und trifft eine polnische Restauratorin, geboren in Wilna. Zwei im Krieg Vertriebene - eine Idee. Menschen zu ermöglichen, an ihrem Geburtsort begraben zu werden. Gegen alle Zweifel stemmen sie das Projekt, doch das geht andere Wege. Der Kapitalismus kommt nach Polen, und nach bösartigen Kabbeleien zwischen den polnischen und den deutschen Gesellschaftern des Friedhofsvereins gerät das Projekt auf die falsche Zielgerade und zu einem makaberen Geschäft mit dem Tod. Thanatos versagt vorläufig die Versöhnung, aber Eros schlägt voll ein und macht wenigstens Zwei glücklich. Und sämtliche Unken der Umgebung sowie Erna Brakup, Verkörperung der liebenswürdig-pragmatischen Urdanzigerin, geben ihren Segen dazu.

Nach langer Zeit wieder eine Grass-Verfilmung - die Ankündigung klingt ein wenig nach Pflichtübung. Das Thema kommt natürlich zur rechten Zeit, wenigstens um einmal zu überprüfen, ob sich Grass’ Unkenrufe nun erfüllt haben. Doch der komplizierte Stoff war schwer zu bändigen, und das merkt man dem Film in seinem Bemühen um Leichtigkeit an. In der ungewissen Schwebe zwischen Satire, tragikomischer Liebesgeschichte und den Einsprengseln historischer Bezüge und Rückblenden will kein richtiger Sog entstehen. Die Geschichte ist holprig, der Witz an vielen Stellen nicht auf den Punkt gebracht. Am schönsten ist es, wenn das kratzbürstige Paar selbstironisch sämtliche polnischen und deutschen Klischees gegeneinander ausspielt. Krystyna Janda und Matthias Habich machen es glaubhaft. Die Figur der Erna Brakup als Schicksalsbotin integriert sich dagegen nicht wirklich, auch wenn’s gut gemeint ist.

D/Polen 2005, 90 min
Verleih: NFP

Genre: Satire, Tragikomödie

Darsteller: Matthias Habich, Krystyna Janda, Dorothea Walda

Regie: Robert Glinski

Kinostart: 22.09.05

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...