Originaltitel: NOSSA CHAPE

USA/Brasilien 2018, 101 min
FSK 12
Verleih: Weltkino

Genre: Dokumentation, Schicksal, Sport

Regie: Jeff Zimbalist, Michael Zimbalist

Kinostart: 28.03.19

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Unser Team – Nossa Chape

Doku zwischen Systemkritik und Epos

Als Ende 2016 im kolumbianischen Medellín ein Flugzeug abstürzte, mit dem der brasilianische Erstliga-Verein Chapecoense auf dem Weg zum Endspiel des Südamerika-Cups war, gingen die Bilder der Trauernden – Angehörige und Fans Hand in Hand – um die Welt. Daß der legendäre Underdog-Klub, der auf einen Schlag fast alle Spieler, sein Management und viele Mitarbeiter verloren hatte, schon nach kurzer Zeit entschied, aus dem Nichts ein neues Team aufzubauen und die drei überlebenden Spieler wieder zu integrieren, das war ein Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden. Die Brüder Michael und Jeff Zimbalist wiederum sind Spezialisten für die dokumentarische Verewigung solcher Heldenepen – besonders dann, wenn Fußball im Spiel ist. Mit UNSER TEAM – NOSSA CHAPE legen sie nun einen Film vor, dessen Dramatik alle Sommermärchen mit Leichtigkeit in den Schatten stellt. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die brasilianischen Protagonisten emotional und in Bezug auf ihre selbstreflexiven Fähigkeiten in einer ganz anderen Liga spielen als Wortmann, Klinsmann und Ballack.

UNSER TEAM – NOSSA CHAPE ist also aus einem anderen Holz geschnitzt, der Film versucht sich an einem Spagat zwischen Real-Life-Drama, Systemkritik und Fußball-Epos. Die Zimbalists haben traditionsgemäß ein Händchen für musikumtostes Fußballkino mit Gänsehautgarantie und reichlich Tränenpotential, wollen es aber dennoch nicht versäumen, einen kritischen Blick hinter die Kulissen zu werfen und zu zeigen, daß sich – trotz salbungsvoller Worte über Teamgeist und Co. – (fast) alles nur um Macht und Geld dreht. Und zwar, das wird hier sehr deutlich, selbst dann, wenn es nicht mehr „nur“ um Tore, sondern um den Umgang mit Tod, Trauer und Verantwortung geht.

Der Film zeigt, wie Überlebende, Trauernde, fassungslose Fans, der taumelnde Klub und sein neuer Trainer mit- und gegeneinander um die Frage ringen, wie es weitergehen soll. Wem „gehören“ die Erinnerungen an die verstorbenen Fußballhelden? Dem Klub, den Fans oder den Familien? Wer bestimmt, in welche Richtung sich ein Verein entwickelt? Die auf dem Rasen oder die im Büro? Darf (oder muß) man ein Trauma ad acta legen, um Kräfte für den Neuanfang zu mobilisieren? Auf diese letzte Frage findet der Film im Finale eine eindeutige Antwort, die die Erzählung nach 90 Minuten plus Nachspielzeit wieder geschmeidig zurück ins Epos flankt. Fechado com a Chape!

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.