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Unter Kontrolle (2011)

Zu idyllische Gefahrenanalyse

Auch wenn die Katastrophe in Japan nachrichtentechnisch bloß noch eine Fußnote ist, von Freude angesichts abgeschossener Terrorbosse und Bahnbrechendem wie königshäuslichen Vermählungen oder Schlager-Singspielen abgelöst wurde, bleibt – so zumindest die Hoffnung – einiges: eine aufgerüttelte Welt. Ein globales Thema. Und die Frage: Darf man die Auseinandersetzung damit kritisieren? Natürlich darf man, wenn sie so geschieht wie hier.

Zur Vorgeschichte: Regisseur Volker Sattel erkannte früh das Konfliktpotential und machte sich auf, es zu ergründen. Zu selbigem Zweck besuchte er also diverse Kernkraftwerke – und ließ dabei die Verantwortlichen einfach gen Kamera palavern. Erwartungsgemäß werden da vielfältige Vorteile von Atomkraft gepriesen und Risiken verbal minimiert, manchmal reden sich die Leute auch um Kopf und Kragen. Etwa in Sachen Strahlenbelastung („Händewaschen reicht!“), oder wenn ein Managertyp mit vor Stolz fast platzender Brust berichtet, daß bei Flugzeugangriffen eine Vernebelungsmaschinerie das Werk zum Schutz sogleich in Dunst hüllen könnte. Romantische Vorstellung. Allerdings sind solche Selbstentlarvungen dann wenigstens anfangs doch zu rar gesät, weswegen sich der Zuschauer oft als Werbeziel der Lobby mißbraucht fühlt. Immerhin bleiben sämtliche Aussagen von Regisseursseite unkommentiert, was definitiv angenehm und anregend wirkt, obwohl das Pressematerial glaubt, Sattel im Interview ängstlich fragen zu müssen: „Wie halten Sie als ambitionierter Dokumentarfilmer das aus?“

Nun, der Mann will nach eigenem Bekunden durch Kommentare und Bilder erzählen – was sich leider selbst ein Bein stellt. Klar, es mag einmal wichtig sein, die Umgebung eines Kernkraftwerkes zu zeigen. Aber wenn man an jedem neuen Drehort wieder minutenlang die Idylle – Fluß, windgeschüttelte Vegetation, putzige Häuschen, ziehende Wolken – vorgeführt bekommt oder mittendrin gar per Fahrstuhl durch einen Bergwerksschacht rumpelt (und zwar ohne Gnade bis ganz nach unten), gerät Sekundenschlaf zur echten Option.

Da bringt es auch nicht mehr viel, wie unvermittelt Sattel irgendwann das Ruder herumreißt, um das eingelullte Publikum plötzlich in Runde 2 so richtig offensiv auf atomare Gefahren aufmerksam zu machen, mahnender Ausklang inbegriffen. Bei allem Respekt: Für drei Jahre Arbeit erscheint das letztlich gebotene Ergebnis ziemlich dünn.

D 2011, 98 min
Verleih: Farbfilm

Genre: Dokumentation

Regie: Volker Sattel

Kinostart: 02.06.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...