Originaltitel: FOUR MOTHERS

Irland 2024, 89 min
Verleih: Pandora

Genre: Tragikomödie, Schwul-Lesbisch

Darsteller: James McArdle, Fionnula Flanagan, Dearbhla Molloy, Stella McCusker, Paddy Glynn

Regie: Darren Thornton

Kinostart: 10.07.25

Vier Mütter für Edward

Mutterwitz und Hochempathie

Am Ende des Regenbogens soll man laut Irlands Mythologie einen Topf voll Gold finden; vielleicht hat das Regisseur Darren Thornton, stolzer Ire, ja inspiriert (neben DAS FESTMAHL IM AUGUST, beiläufig erwähnt). Konkret dazu, das Naturschauspiel in der queeren Flagge zu verorten, die an seinem schier überschwappenden Kessel puren Komödiengolds weht.

Edward, Mitte 30, schwuler Single, steht knapp vor dem literarischen Durchbruch und wohnt mit der verwitweten Mutter zusammen, jene nach Schlaganfall verstummt. Aus ihren per Sprachausgabe eines Tablets getätigten Ansagen tönt dennoch null Widerspruch duldende Deutlichkeit. Der Verlag wünscht nun eine den Debütroman bewerbende Lesereise, also schon mal vorgefühlt, ob ein vorübergehender Heimplatz für Mama frei wäre. Hat sich allerdings direkt erledigt, weil Edwards herrlich verzickte Kumpel beim Gay Pride Maspalomas zwischen Bären, falschen Superbusen und Lederharnischen (nicht nur) die Sau rauslassen wollen, deshalb ihre Mütter kurzerhand dem künftigen Starautor aufhalsen. Edward erwarten fortan Beerdigungstourismus, Frühstückssonderwünsche, Krankenhausbesuche und Autoübernachtungen, gar eine Ochsentour durchs Land zwecks Aufsuchen eines Mediums. Wenig Wunder, daß er irgendwann ins Kissen schreit.

Wirklich meisterlich witzig, wie einnehmend zugewandt, doch gnadenlos Thornton die Gutmütigkeit, darin steckend auch Schwäche seines Protagonisten nutzt, um ihn zum ohnmächtigen Werkzeug dessen nachdrücklich verlangender Umwelt zu formen – seien es vier vom Leben und Lieben gestählte alte Damen oder überforderte Manns(abzieh)bilder. Wobei alle Spitzzüngigkeit, jede private Peinlichkeit, sämtliche auf sarkastische Spitzenpositionen getriebene Klischees als fluffige Ummantelung eines harten Kerngehäuses dienen. Wenn Thornton Ensemble und Publikum wiederkehrend von humorigen Eskapaden gelöst fest umarmt, beweist er zu wissen, was da tief im Inneren schlummert. Sanftes Anstupsen bringt Zerrissenheit hoch, thematisiert werden zwischenmenschliche Fehler, die man berichtigen kann, und andere, nicht mehr korrigierbare. Daraus muß hier glücklicherweise zwar niemand ein großes weinerliches Drama machen, aber die echte Verbindung zur wunderbaren Darstellerriege fällt umso leichter, und beste Unterhaltung zeigt empathischen Scharfsinn.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...