Noch keine Bewertung

Von Caligari zu Hitler

Die kurze, große Zeit des deutschen Kinos

„Von Caligari zu Hitler – Eine psychologische Geschichte des deutschen Films“ heißt eine der berühmtesten Schriften des Filmtheoretikers und Geschichtsphilosophen Siegfried Kracauer (1889-1966). VON CALIGARI ZU HITLER nennt auch der Filmkritiker und Autor Rüdiger Suchsland seine Dokumentation, allerdings mit einer anderen Unterzeile: „Das deutsche Kino im Zeitalter der Massen“ ist es nämlich, was Suchsland umkreist. Seine Dokumentation ist ein Exkurs in die Weimarer Republik, das heißt: in die politisch brodelnde Kurzphase eines deutschen Demokratieversuchs und die große Zeit des deutschen Kinos, die aus diesem Brodeln hervorging.

Ein Kino, über das, so Suchsland, das heutige Wissen auf „zwei, drei Fußnoten zusammengeschrumpft“ sei. Das zu ändern, ist eine der Intentionen dieser Doku. Sie ist Suchslands Filmdebüt und als solches eins, das trotz eines Mankos zu fesseln vermag. Das Manko: eine analytische Perspektive, deren intellektuelle Substanz auch im Tonfall immer wieder das filmtheoretische Seminar für Erstsemester streift.

Viel von Symbolen ist da die Rede, allenthalben wandeln Archetypen, kunstgeschichtliche Schlagworte purzeln umher. Wieder und wieder werden Filmausschnitte eingespannt ins psychologisch-soziologische Rezeptionskorsett, und das hübsche Bonmot über die Psychoanalyse, die ihre Ostereier immer dort finde, wo sie sie vorher selbst versteckt habe, läßt sich auch auf Suchslands Suche übertragen.

Man spürt natürlich, worauf das zielt. Auf diesen bestechenden Blick eines Kracauers, der den Ariadnefaden durch die zahllosen Filmsequenzen bildet, die Suchsland montiert hat, und die bei aller klugen Struktur, die dieser Montage zugrunde liegt, dennoch einen wilden Labyrinth-Charakter behalten. Zum Glück! Denn das immer noch Faszinierende dieser Filmkunst auch in ihrer Mannigfaltigkeit ist ja gerade ihr Vermögen, sich Verallgemeinerungen zu entziehen. Ist die Autonomie echter Kunst, die sich immer ihr Geheimnis zu bewahren verstehen wird.

Und so ist es eine Frage, die dieser Dokumentation ihren Reiz verleiht, die die Vielzahl an Szenen und Gedanken bündelt: „Was weiß das Kino, was wir nicht wissen?“ Immer wieder stellt Suchsland diese Frage. Sie ist klüger und schöner als das Gros der Antworten.

D 2014, 113 min
FSK 0
Verleih: Real Fiction

Genre: Dokumentation

Regie: Rüdiger Suchsland

Kinostart: 28.05.15

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.