Originaltitel: MADE IN DAGENHAM

GB 2010, 113 min
FSK 6
Verleih: Tobis

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Sally Hawkins, Bob Hoskins, Miranda Richardson, Rosamund Pike

Regie: Nigel Cole

Kinostart: 13.01.11

3 Bewertungen

We Want Sex

Bestes britisches Kino über starke Frauen und überforderte Männer

Was braucht der Mensch, um glücklich zu sein? Anerkennung, Liebe, Nahrung, Wohlgefühl, gute Gesellschaft – und Arbeit. Letzteres, um sich zu versorgen, die Nächsten zu ernähren, um sich im Normalfall Respekt und Wohlstand zu verdienen und im besseren Fall kreativ auszudrücken. Und nur die Balance aus all den Ansprüchen führt letztendlich auch zu gutem Sex. So paßt der Titel als Konsequenz dann doch ganz gut, Ausdruck verleihen wollten die Arbeiterinnen um die spröde Rita der Forderung nach geschlechtlicher Gleichstellung, aber manchmal streikt eben selbst das schönste Kampfbanner beim Aufrollen, so daß sich das Arbeitskampfmotto auch mal nicht zur Gänze erschließt, und manchmal läßt sich eine ungerechte Situation ohnehin nur mit Galgenhumor ertragen. Denn ungerecht geht es ohne Zweifel zu, hier im beschaulichen Dagenham im Jahre 1968.

In der brütenden Hitze und deswegen ohnehin nur in U-Wäsche aushaltbar sitzen Rita, Connie & Co an den Maschinen, um dem Autohersteller Ford die Sitze zu vernähen. Für einen Hungerlohn, für wesentlich weniger, als die männlichen Kollegen einstreichen. Denn Frauen werden aus Prinzip als ungelernt eingestuft – Willkommen im Urwald! Das Faß ist voll, und irgendwann steht Rita, die zwar eine große Klappe haben kann, aber alles andere als eine Nachvornedränglerin ist, auf einem Stuhl, die Mädels hören ihr zu – und schon geht der Kampf los. Gegen Ford, gegen korrupte Gewerkschaftsvertreter, und auch gegen ihre eigenen Ehemänner, die – Kinder ihrer Zeit – den Frauen irgendwann in deren Selbstbestimmungswillen nicht folgen können.

Man hat es doch einige Zeit vermißt, das freche, kämpferische, sozial verankerte britische Kino. Nun, da ist es wieder! Ganz in der Tradition der englischen Arbeiterklassestücke GANZ ODER GAR NICHT oder BRASSED OFF versteht sich WE WANT SEX als ein gelungener tragikomischer Mix, der mit Themen wie Zusammenhalt, Gerechtigkeit und Selbstbestimmung wunderbar jongliert und dabei das Wichtigste nie aus dem Fokus verliert: den Menschen, die einfache Arbeiterin. Das gelingt Nigel Cole zutiefst sympathisch, was vor allem an seiner bestechenden Hauptdarstellerin Sally Hawkins liegt. Rollengemäß nicht so hyperventilierend wie in HAPPY-GO-LUCKY, aber noch immer mit diesem Kinderstaunen im Gesicht, das sich hier fabelhaft mit einer Wut, einer echten Empörung zusammenschließt, daß es einem förmlich auf der Brust drückt, wenn Hawkins mit tränenerstickter Stimme die weibliche Bande anführt, wenn sie ihrem eigenen Mann nicht mehr Ersatzmutter, Haushaltshilfe und Bettgesellin in einem sein will.

Dazu kriegt sie ein paar Julia-Roberts-Sätze in den Mund gelegt. Was paßt, denn auch wenn die Geschichte sich so tatsächlich zugetragen hat, weiß Cole um den Zauber des Kinos. Weshalb es neben Rita noch mindestens eine Überfigur im Film gibt, hier eine herrlich resolute Ministerin mit leichtem Thatcher-Touch, und weshalb er den Frauen die tollsten Kostüme und Frisuren ihrer Zeit auftragen läßt. Kino vom Feinsten also, deswegen: We Want More!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.