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Western

Wer ist es, der das weiße Pferd reiten darf?

In der Abgeschiedenheit bulgarischer Wälder sollen deutsche Bauarbeiter eine Wasserversorgung bauen. Neues Terrain für die Sprüche klopfenden Kollegen, die den Auslandsaufenthalt nutzen, um in Camp-Stimmung eine Deutschlandflagge zu hissen und mit den Frauen des nahegelegenen Dorfes zu flirten. Schnell wird klar, wir sind vor allem beim Protagonisten Meinhard, der ein bißchen abseits steht. Er ist es, der zuerst in das Tal hinabsteigt und behutsam Kontakt zu den Dorfbewohnern sucht. Wir wissen nichts über seine Vergangenheit, jedoch erwacht bei seinem ruhenden Blick in die Landschaft und auf seine Begegnungen das Lebendige einer Gedankenwelt. Etwas sehr Inneres wird angesprochen, ein Urgefühl vom eigenen, biographischen Schicksal.

In der Kulisse der mystischen Provinz schwingen existentielle Fragen des Lebens mit, ohne Pathos, aber mit starker Feinheit. Meinhard findet im unbemannten Land den Schimmel, den er zähmen will, und der zum Symbol wird für all die Hierarchien, die im Raum schweben. Stetig wächst das Gefälle zwischen dem Loner und dem Rest der Gruppe, allen voran Vincent, der Vorgesetzte der Bauarbeiter, der auch um die Gunst der bulgarischen Dorfbewohner buhlt. Obwohl wir Meinhard sympathisch finden (wollen), da er so viel sensibler wirkt, ist es spannend, wie der Film es schafft, eine unerwartete Nichteindeutigkeit zu kreieren, die im stillen Protagonisten angelegt scheint und unser Urteilsvermögen ins Wanken bringt: Ist er Held, ist er Verlierer, ist er gut oder böse? Genau so ist auch die Beziehung zum Dorf eine unsichere. Durch die Sprachbarriere können weder die Arbeiter noch wir als Zuschauer verstehen, welche Intentionen ein jeder Dorfbewohner hegen mag. So entstehen mit Hoffnung auf Verständigung aufgeladene Hohlräume. Eine Herausforderung, auch für uns, mögliche Bedeutungen hineinlegen zu müssen. Meinhard bleibt hartnäckig und stellt sich immer vehementer den Duell-Situationen. So wächst ein stetes Unbehagen, daß bald etwas Heftiges passieren müsse.

WESTERN ist eine eindrückliche Zustandsbeschreibung einer Gruppe von Männern, die an einen ihnen fremden Ort kommen und mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert sind. Die filmische Untersuchung des Konstrukts Männlichkeit, die eine höchst authentische Vielschichtigkeit zuläßt. So gelingen Regisseurin Valeska Grisebach eine fesselnde Beobachtung ohne Fingerzeig und eine hervorragende Arbeit mit Laien, die diese faszinierend und umso stärker erlebbar macht.

D/Bulgarien/Österreich 2017, 121 min
FSK 12
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Mystery

Darsteller: Meinhard Neumann, Reinhardt Wetrek, Syuleyman Alilov Letifov, Veneta Frangova, Vyara Borisova

Regie: Valeska Grisebach

Kinostart: 24.08.17

[ Katharina Wittmann ]