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Wilma will mehr

Auf Marx gesoffen

Brettert gerade an die Wand: Wilma wohnt in der Lausitz, wo niedrige Räume und hohe Sorgenberge die Menschen drücken, verliert wirtschaftlich bedingt ihre Arbeit im Elektroeinzelhandel und erwischt just den Gatten nackend Nudeln kochend. Letzteres zwar per se keine schlechte Aktion, gemeinsam mit einer fremden Frau allerdings doch problematisch. Wilma rastet spontan aus, die Mittvierzigerin flüchtet gen Wien, gerät zur Reparaturgeheimwaffe, gibt Tanzstunden, nennt eine linke WG ihr Zuhause und lernt, was Leben eigentlich heißt.

Diesen seltsamen Nachwendeschwebezustand zwischen „Alles geht!“ und „Alles geht krachen …“ möchte die komplett auf Hauptdarstellerin Fritzi Haberlandt zugeschnittene Tragikomödie zurückholen, hat in Sachen Realitätsabbildung auch durchaus Erfolg, wenn man bewertend hinzuzieht, wie wenig sich Ost und West unterm Strich beim Blicken auf die Welt unterscheiden. Deutschland einig Jammertal, kuschelig verheimatet im nostalgisch verbrämten Gestern, dem funkelnden Sehnsuchtsort fern stets bösartiger Gegenwart. Bloß folgerichtig bietet ein freundlicher Russe Wilma vorübergehend Unterschlupf oder wird während geselligen Zusammenseins erst auf Marx gesoffen und anschließend aus enthemmt bebender Brust „Sag mir, wo Du stehst“ geschmettert.

Von tristen Bildern umrahmt, ist das bestenfalls als gallige Illustration damaligen Befindens zu verstehen. Daß es seither indes kaum erwähnenswerte Änderungen gab, spiegelt Wilmas persönliche Entwicklung: Sie mag ja schon mehr wollen, aber eingekuschelt im warmen Mief des Altbekannten träumt man immer noch am komfortabelsten. Und meckert dazu herrlich risikoarm.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...