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Youth

Chronik einer Entführung

„Wie weit würdest Du gehen, um Deine Familie zu retten?“ Wäre YOUTH einer dieser amerikanischen Reißer, die der Teenager Shaul auf seinen für den Job als Kartenabreißer im lokalen Multiplex obligatorischen T-Shirts bewirbt, dann wäre das sicherlich ein passender Slogan fürs Kinoplakat. Obwohl oder gerade weil YOUTH besagte Actionthriller in Sachen Spannung und Tiefgang in seiner stillen, realistischen Erzählweise locker in die Tasche steckt, hat diese ergreifende Geschichte einer mißglückten Entführung derlei Haudrauf-Bewerbung aber gar nicht nötig. YOUTH versteht es, einen auf weitaus subtilere Weise in seinen Bann zu ziehen, wovon sich Anfang des Jahres schon viele Besucher auf der Berlinale überzeugen durften, auf der der Film vom Geheimtip zum Publikumshit avancierte.

Um aber besagte Frage des fiktiven Plakat-Slogans nun doch nochmals aufzugreifen: Die beiden Brüder Shaul und Yaki würden verdammt weit gehen. Da ihnen und ihren finanziell in eine Abwärtsspirale geratenen Eltern der Rauswurf aus der noch nicht abbezahlten Eigentumswohnung droht, entschließt sich das Geschwisterpaar, Shauls Mitschülerin Dafna zu entführen und die rettende Geldsumme von deren reichen Eltern zu erpressen. Was die beiden trotz akribischer Planung ihres Vorhabens aber nicht einkalkulieren, ist der strenge Glaube von Dafnas Eltern: Da Sabbat ist, gehen die Lösegeldzahler einfach nicht ans Telefon. Zwischen den eigenen Familienfeierlichkeiten und dem Keller, wo sie ihr Opfer festhalten, hin- und herspringend, geraten die Amateurentführer unter immer größeren Druck, bis sie gezwungen sind, eine Entscheidung zu fällen: Geld oder Leben?

Wie bereits das eindrucksvolle Thrillerdrama POLICEMAN vor einem Jahr, setzt sich auch YOUTH mit der Krise der israelischen Mittelklasse und einer wachsenden Radikalisierung unter jungen Menschen aus selbiger auseinander. Abseits des die Schlagzeilen bestimmenden Nahostkonflikts wird eine andere Seite Israels offenbar, die weit weniger medial präsent, aber nicht zwangsläufig minder besorgniserregend ist, vor allem für die nachwachsende Generation.

Regisseur und Autor Tom Shoval gelingt in seinem Spielfilmdebüt eine packende Mischung aus Entführungsthriller, Sozialdrama und Generationenporträt, die trotz der düsteren Thematik Hoffnung vermittelt. Hoffnung für das israelische Kino, das in dieser Qualität, wie schon im Panorama der Berlinale bewiesen, zur Weltspitze zählt.

Originaltitel: YOUTH

Israel/D 2013, 107 min
FSK 16
Verleih: Port-au-Prince

Genre: Drama

Darsteller: Eitan Cunio, David Cunio, Moshe Ivgy

Stab:
Regie: Tom Shoval
Drehbuch: Tom Shoval

Kinostart: 23.01.14

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...