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Zarte Parasiten

Gicht in den Knochen

Sie haben nur sich, das Hier und das Jetzt. Manu und Jakob, das junge Liebespaar, die zwei Aussteiger, die im Wald kampieren und ihre ganz persönliche Überlebensstrategie entwickelt haben. Halb karitativ, halb schmarotzend ist die. Man könnte auch sagen: Manu und Jakob verbinden das Praktische mit dem Nützlichen.

Nützlich sind sie beispielsweise für eine alte, einsame und sterbenskranke Frau, die Manu pflegt. Die Alte ist dankbar und großzügig. Was wiederum praktisch ist. Moralisch ist daran nichts zu deuten – Manu und Jakob machen ihrer Klientel nicht allzu viel vor. Und ihre Zuneigung zur „Kundschaft“ ist durchaus eine echte. Diese Agreements laufen eine ganze Weile gut. Bis Jakob auf den unter dem Tod seines Sohnes schwer leidenden Martin trifft.

Und für einen kurzen intensiven Moment flackert hier dann in Christian Beckers und Oliver Schwabes ZARTE PARASITEN die Verheißung eines subtilen Psychothrillers auf. In der Art, wie Jakob sich Martin als neuer Sohn andient. In der Art, wie Martin sich dieser Suggestion hingibt. Und wie parallel dazu Martins Frau auf diese Perfidität reagiert – und Manu in diesem neuen Spiel Jakobs zunehmend in die Nebenrolle gedrängt wird.

Eine tolle Konstellation, die sich da abzeichnet. Doch die besagte Verheißung zum Thriller verflüchtigt sich. Becker und Schwabe wollen das nicht, können das nicht. Was auch immer. Sie erzählen mit einem Puritanismus, der etwas von jenen Heiligen hat, die sich Asche und Kieselsteine ins Brot streuten, damit es ihnen nur ja nicht zu gut gehe im irdischen Jammertal.

Himmel Arsch! möchte man da fluchen. Woher diese Angst vorm Ausreizen, woher diese Fabulieraskese? Dabei ist ja völlig in Ordnung, daß die Herren nüchtern aufzeigen wollen. Aber man kann auch die dramatische Zuspitzung mit Nüchternheit und Kühle inszenieren. Man kann einer Geschichte geben, was in ihr steckt, ohne daß es wie Kintopp-Plattitüde aussehen muß. Vor dieser Plattitüde haben Becker und Schwabe zu Recht Angst. Doch das Problem ist, daß man ihrem Film diese Angst anmerkt. Sie steckt der Inszenierung in den Knochen wie die Gicht. Was zur Folge hat, daß ZARTE PARASITEN nach gutem Anfang bald einfach nicht mehr wirklich von der Stelle kommt. Da macht sich dann Langeweile breit. Und eine zunehmende Gleichgültigkeit gegenüber diesen Figuren. Eine Gleichgültigkeit, die sie eigentlich nicht verdient haben.

D 2008, 87 min
FSK 12
Verleih: Filmlichter

Genre: Drama

Darsteller: Robert Stadlober, Sylvester Groth, Maja Schöne, Korinna Kirchhoff

Regie: Christian Becker, Oliver Schwabe

Kinostart: 30.09.10

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.