Originaltitel: LES SOUVENIRS

F 2014, 94 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Komödie

Darsteller: Michael Blanc, Mathieu Spinosi, Annie Cordy, Chantal Lauby

Regie: Jean-Paul Rouve

Kinostart: 26.03.15

2 Bewertungen

Zu Ende ist alles erst am Schluß

Warmherziger Blick in das Chaos Familie

Kommt wirklich nicht allzu häufig vor, daß aus einem knappen, schmissigen Originaltitel ein ziemlich langer und dennoch auf die 12 zielender deutscher Filmtitel entsteht. Hier hat das ganz wunderbar geklappt, auch, weil allein in diesen sieben Wörtern die Tragik und der Witz, das Freudvolle und Traurige, das Augenzwinkern und Schwermütige, das Bewährende und Probende mitschwingen und gar zur Mut machenden Quintessenz gebündelt werden, was unser Leben eben so ausmacht.

Erzählt wird eine Familiengeschichte, in deren Fokus Romain steht, ein junger Mann auf dem Weg zum Schriftsteller. Erst einmal ist es aber der Job an einer Hotelrezeption, den er bestreitet, um über die Runden zu kommen. Das paßt auch gut zu ihm, so richtig weiß er einfach nicht, wohin die Reise gehen kann. So verwundert es wenig, als er zur Beerdigung seines Opas den Friedhof verwechselt und entsprechend zu spät ans Grab eilt. Das ist die Gelegenheit, Madeleine vorzustellen. Romains Oma, die ihm sehr nahesteht und selbst in so pikanter Lage noch den passenden Spruch drauf hat: „Opa ist nicht beleidigt!“ Eingeführt sei noch in knappen Strichen Michel, Romains Vater, der gerade an seiner Pensionierung laboriert. Lauwarme Witzchen und kaltes Büffet müssen zum Abschied vom Postdienst genügen. Und Nathalie, Romains Mama, die zu Recht erschrecken darf, wenn Michel am ersten Tag seines Rentnerdaseins ihr zuraunt: „Jetzt werden wir leben!“

Genau das ist die Knackpunktfrage von Jean-Paul Rouves warmherzigem Film: Was macht ein Leben eigentlich sinnvoll? Lohnt sich überhaupt die Suche nach einem höheren Sinn, oder sind wir einfach nur da, um Spaß zu haben, füreinander einzustehen, zu lieben, zu genießen, zu trauern, zu erinnern und am Ende, also dann, wenn es wirklich an der Zeit ist, Adieu zu sagen? Vielleicht. Und derartige Gedankenspiele werden von Rouve, der auch in entzückender Verpeilung den dem Rotwein zugetanen Hotelbesitzer gibt, jenseits einer altbackenen Abendschulphilosophie angestupst, er greift zu probaten Mitteln: Ausbruch, Gegenwehr, Erinnerung. Michel und seine Brüder sind schnell dabei, ihre Mutter ins Altenheim abzustellen, doch Madeleine wehrt sich, haut ab und bereist die Orte der Vergangenheit. Das gerät auch melancholisch, klar, rührt aber vor allem deswegen die Herzen, weil dies der Moment ist, von der immensen Zärtlichkeit zwischen Romain und seiner Großmutter zu erzählen, zwei, die sich ergänzen, die wenig kritteln. Die leben. Und da kann Michel, kluger Subtext des Films, durchaus von seiner Mutter und seinem Filius lernen. Es ist nicht allein die Gesellschaft, die bestimmt, wann der Ofen aus ist, es ist auch an einem selbst.

Die Stärke von Rouves mit herrlichem Witz gespickter, dabei in eleganter Unaufgeregtheit erzählter Geschichte ist auch, daß sie die Nöte aller Figuren ernst nimmt: Romain muß aufhören, auf die Liebe zu warten, Nathalie greift zu drastischen Mitteln, um ihren von Lebenskrisen geplagten Gatten wieder auf Spur zu bringen, da muß notfalls auch ein junger Hengst erfunden werden, der Nathalie so richtig dynamisiert!

Und wenn es letztlich ein Tankwart sein wird, der Lebenswege orakeln darf, wenn sich Vater und Sohn zeitgleich in verschiedenen Kneipen besaufen, und ganz am Schluß schon wieder eine Beerdigung ansteht, auf welcher Trauernde zu spät erscheinen, dann hat hoffentlich der Letzte geschnallt, was man dem Leben in keinem Fall zumuten sollte: es zu ernst nehmen.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.