Originaltitel: LA GLACE ET LE CIEL

F 2015, 89 min
FSK 0
Verleih: Weltkino

Genre: Dokumentation, Natur

Regie: Luc Jacquet

Kinostart: 26.11.15

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Zwischen Himmel und Eis

Demut und Kyoto-Lügen

Etwas Getriebenes gehört zu einem Dokfilmer schon dazu. Weswegen es kaum verwundert, daß Luc Jacquet nach dem Überflieger DIE REISE DER PINGUINE knapp zehn Jahre später zurück ins Eis fand. Diese Leidenschaft teilt er mit dem 83jährigen Forscher Claude Lorius, und noch etwas haben sie gemein: Man sieht ihnen diese Getriebenheit nicht an! Jacquet, ein Bär von Mann mit warmer Stimme, und Lorius, ein Greis mit buddhasanftem Blick. Vielleicht ist es Demut, die sich vor eine mögliche Überheblichkeit schiebt, die Großes Leistende bescheidener auftreten läßt. Jacquet, der OSCAR-gekrönte Regisseur, Lorius, der bahnbrechende Wissenschaftler, erkennen die Winzigkeit des Menschen und die Unendlichkeit und Schönheit des Eises.

Das glitzert durch in diesem Film, der nüchterner, wissenschaftlicher und auch fordernder geraten ist als der herzwärmende Marsch kleiner Frackträger in 2005. Lorius war kein wandelndes Orakel, als er vor Dekaden warnte, daß die Pole schmelzen, Stürme stärker und Wälder niederbrennen werden. Er kann rechnen und beobachten, denn wer in solchem Maße wie der Mensch Holz, Öl und Kohle verbraucht, muß veränderte Meeresströmungen nicht als Laune der Natur abtun. Lorius, seit den 50ern Antarktisforscher, hatte durch schmelzende Eiswürfel im Whiskytumbler die eingebende Idee, daß ins Eis eingeschlossene Luftbläschen Geschichte erzählen können. Ab da wurde gebohrt, was im Film eindrücklich, manchmal auch lehrfilmhaft geschildert wird, am Ende sind es 22 Expeditionen, allesamt der Analyse fossiler Luftbläschen gewidmet, die fundamentale Erkenntnisse über das Leben, Treibgas und vor allem die Konsequenzen eines Zeitalters hirnrissiger Destruktion liefert.

Die Nervosität der Equipe Lorius’ bei immer tiefergehenden Bohrungen, bei immer älteren Luftbläschen ist schon ansteckend, der Cousteau-Duktus, der durchscheint, die Kameradschaft und Trinkfestigkeit der kooperierenden Russen wärmen die Herzen, und manch’ Schmunzler darf ausgemacht werden, wenn forschende Männer von sich selbst als Pioniere sprechen, wobei sie es ja wirklich waren!

Das Schmunzeln vergeht einem ohnehin schnell wieder, wenn man durch diesen wichtigen Film einmal mehr bedenkt, welche Lachnummer das Protokoll von Kyoto ist, wenn man Inseln versinken sieht, und sich Politiker selbstgefällig die Schulter klopfen. Dies wahrzunehmen und dennoch hart zu arbeiten wie Lorius und auch Jacquet, dazu gehören neben der erwähnten Demut auch unverwüstlicher Optimismus und Nächstenliebe.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.