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Zwischen uns das Paradies

Viele Klischees verderben den Film

Es ist ein hübscher Einfall, die Protagonistin „Luna“ zu nennen, weil die junge Muslimin als Stewardeß zwar nicht zum Mond fliegt, aber immerhin häufig über der Erde schwebt. Damit hätte das Drehbuch seine Poesie jedoch auch schon ausgeschöpft, denn grundsätzlich geht es sonst ziemlich poltrig zu. Luna ist mit Amar zusammen; daß er zu viel trinkt, verzeiht sie klaglos. Als er deswegen seinen Job verliert, ist das auch noch zu verkraften. Doch plötzlich verspürt Amar sozusagen religiösen Drang und läßt sich in einem orthodoxen islamischen Camp nieder. Jetzt wird es Luna schließlich zu viel, und sie fleht Amar an, der Quasi-Sekte zu entfliehen ...

Problematisch dabei ist die Amar zugedachte Charakterisierung, welche nie glaubhaft machen kann, wieso sich der Mann so konsequent zu seinen „Brüdern“ hingezogen fühlt, weshalb er sogar die Beziehung zu Luna aufs Spiel setzt. Sie wiederum erfährt eine reiche Zeichnung, kümmert sich beispielsweise um Oma, von der man tatsächlich gern mehr gesehen, erfahren und gelernt hätte. Doch schnell blendet die Regie erneut auf das erwähnte Camp, welches arg eindimensional gerät: Da drischt man Phrasen à la „Der Weg zum Paradies ist steinig, der zur Hölle leicht!“, während sich Luna bei ihrem wahrscheinlich ersten Besuch einer Moschee ganz zufällig, dafür aber umso nachdrücklicher mit dem ihr zugedachten Frauenbild (diene dem Mann etc.) konfrontiert sieht, und Amar angesichts seiner überaus radikalen Veränderung nahezu zum Dämon stilisiert wird. Das mag man beklemmend finden. Oder aber so eindeutig ins Zuschauerhirn gehämmert, daß für andere Meinungen, Facetten und eine wirklich vielschichtige, ergo kontroverse Auseinandersetzung mit diesem zweifellos brisanten Thema einfach kein Raum mehr bleiben kann. Zumal Lunas Kriegsleid und damit die gesellschaftlichen Veränderungen ihres Landes zu dünn angerissen bleiben, um eine weitere Beschäftigung zu implizieren.

Wenn der Film am Ende dann doch seinen politischen und letztlich belehrend präsentierten Hintergrund vergißt, um sich endlich auf das innere Drama der zwei Figuren zu konzentrieren, ist es bereits zu spät. Zu lange lenkte er davon ab, zu weit hat sich das Zuschauerinteresse von den beiden Menschen entfernt, weswegen das Ganze weder als Politikum noch Blick auf ein Zusammensein am Abgrund richtig funktionieren will.

Originaltitel: NA PUTU

Bosnien und Herzegowina/Österreich/D/Kroatien 2010, 100 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Zrinka Cvitesic, Leon Lucev, Ermin Bravo, Mirjana Karanovic

Stab:
Regie: Jasmila Zbanic
Drehbuch: Jasmila Zbanic

Kinostart: 02.09.10

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...