D 2025, 93 min
Verleih: Warner

Genre: Drama, Historie

Darsteller: Jasper Billerbeck, Laura Tonke, Lisa Hagmeister, Diane Kruger, Jan Georg Schütte, Detlev Buck, Matthias Schweighöfer

Regie: Fatih Akin

Kinostart: 09.10.25

Amrum

Von milder Mischung

Kaum 200 Kilometer liegen zwischen Hamburg und Amrum, trotzdem wird der 12jährige Nanning von den Ureinwohnern der Nordseeinsel als „Festländer“ beschimpft. Er ist zudem noch Pimpf, vor dem elterlichen Haus wedelt stramm die Naziflagge, Vater ist weg, weil treu im Einsatz fürs Land. Auch sein Nanning, das älteste der Kinder, kämpft. Um Selbstbehauptung und die Tatsache, daß eben doch schon neun Generationen in der Ahnenreihe stehen, die ihn mit Amrum verbinden. Mutter Hille sagt es ihm zum Trost, doch sie hat mit sich selbst zu tun. Das vierte Kind ist im Kommen. Wann es kommt? Am Tag, als die Radionachricht gen Norden dringt, Adolf Hitler sei gefallen.

Aus Ostpreußen und Schlesien ziehen die Trecks mit echten Zugereisten heran. Ob sie Deutsch sprechen, fragt man an den Dünen. „Das sind Deutsche!“, lautet die Antwort. Mit ihnen rückt die Angst noch einmal näher, während die Flugzeuge der Alliierten aus der Luft höchstens Ballast abwerfen und die schlaue Kartoffelbäuerin Tessa hofft, daß sie das Ende dieses „Scheißkriegs“ verkünden. Tante Ena, die zweite starke Frau daheim, denkt da nicht anders. „Nicht ins Haus mit der Drecksuniform!“, herrscht sie den Neffen an. Es ist aufrecht zweideutig gemeint. Nanning ist ein cleverer Junge, speziell beim Besorgen von Lebensmitteln. Eier von den Wildgänsen, Zucker von Onkel Onno aus Föhr, morgen vielleicht Butter und ein Karnickel, etwas Weizenmehl und Honig wären gut. Denn Mutter verweigert jetzt das Essen. Wo soll ein 12jähriger hin mit so viel Kummer?

„Ein Hark-Bohm-Film von Fatih Akin“ stand schon im Trailer zu AMRUM. Freundschaftsdienst, sagt der jüngere Regisseur dazu und schenkt dem Stoff, der sich aus Bohms Leben nährt, die Leinwand. Bohm selbst, Akins sehr verehrter Mentor und Teilzeit-Kollaborateur, hätte es in Gänze nicht mehr schaffen wollen und können, er ist 86. Von milder Mischung ist das Stück geworden, sanft, fein austariert speziell von den weiblichen Charakteren, weich und zärtlich im Platt und den anderen Tönen, in den Tag- und Nachtbildern von erhabener Schönheit, im Anriß episodisch, ganz bei Nanning und seiner Sicht auf die Welt, sein kindliches Paradies des Unbedarften und die Wochen, in denen dieses Paradies zu bröckeln beginnt. Der Tod tritt in sein Leben, die andere Wahrheit, das andere Behaupten. Es wird ihn wohl prägen, doch hier ist AMRUM längst vorbei.

[ Andreas Körner ]