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Die 4. Revolution

Wir wissen, daß wir etwas tun müssen – andere haben schon angefangen

Gleich vorweg: Es ist kein ganz so großer Dokumentarfilm geworden, wie es eine Verlautbarung (www.energyautonomy.org) noch glauben machen will. Dafür fehlt ihm ein wenig die künstlerische Handschrift, etwas zu plump setzt er mitunter auf Suggestion, zu manieriert ist manches Bild, Interviewszenen sind als inszeniert zu enttarnen – die Übergänge von solch kritischen Einwänden gegen das Gewollte sind fließend.

Aber eine der großen Lebensfragen, nämlich „Heiligt der Zweck die Mittel?“, kann hier leichthin bejaht werden. Carl-A. Fechner hat sich mit seinem Film eines großen Themas angenommen, eines der größten unserer Zeit, und sein Ausgangspunkt erscheint in Satzform so simpel, wie er im „Real Life“ schwer wiegt: Wir wissen, daß wir etwas tun müssen. Das Thema ist Energie. DIE 4. REVOLUTION bringt das Kräftemessen um einen Wechsel der Energiepolitik aufs Leinwandtableau. Prominente Umweltaktivisten, ökologische Unternehmer, Nobelpreisträger und Politiker, Fechners Protagonisten, plädieren für den Umstieg, und sie zeigen, wie es gehen kann. Hermann Scheer, Vorsitzender des Weltrats Erneuerbarer Energien und Träger des Alternativen Nobelpreises, ist dabei, der Däne Preben Maegaard, der mit dem 1983 gegründeten „Nordic Folke Center“ Maßstäbe für eine dezentrale Energieautonomie gesetzt hat, und Ibrahim Togola, der in seinem Heimatland Mali Dörfer mit Solar-Energiesystemen versorgt.

All die Menschen, die Fechner hier vor die Kamera geholt hat, arbeiten – zugleich ist dies ein dramaturgisches Element – an der Beantwortung eines breit gefächerten Fragenkataloges; „Sicherungssysteme“ sind dabei Texttafeln, die dem Zahlenmaterial aus Statistiken eben den Nachdruck des Geschriebenen verleihen wollen. Der Vergleich mit Al Gores Postulaten in EINE UNBEQUEME WAHRHEIT zwängt sich auf, Fechners Film aber hat – vielleicht gerade, weil ihm die Perfektion des Hochglanz-Infotainments fehlt – etwas ungleich Authentischeres, und er ist ermutigend.

Zwischen gigantischen Bürotürmen in Los Angeles, mit Wellblech gedeckten Hütten in Mali, Windparks in Dänemark und ökologischen Vorzeigeprojekten in Deutschland hat er Geistern nachgespürt, die das Gelingen einer vierten industriellen Revolution, eine Wende der Energiepolitik, nicht nur als notwendig begründen, sondern in den Bereich des Möglichen rücken. Wir wissen, daß wir etwas tun müssen und sehen: Der Anfang ist gemacht.

Originaltitel: ENERGY AUTONOMY – THE 4TH REVOLUTION

D 2010, 80 min
FSK 0
Verleih: Delphi

Genre: Dokumentation

Regie: Carl-A. Fechner

Kinostart: 18.03.10

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.