Originaltitel: WOMAN IN GOLD

USA/GB 2014, 107 min
FSK 6
Verleih: Square One/Universum

Genre: Drama, Historie

Darsteller: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Justus von Dohnányi, Tom Schilling

Regie: Simon Curtis

Kinostart: 04.06.15

1 Bewertung

Die Frau in Gold

Von Erinnerung und Gerechtigkeit

Oft gibt’s das nicht, daß sich ein Film am Nachhall der unrühmlichen Geschichte Europas zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs abarbeitet, ohne pädagogisch überwertvoll, also zeigefingerwackelnd und auf Tapferkeitspreise zielend, erzählt oder eben gleich tief in die Klischeekiste greift, um fein säuberlich, gern auch für den internationalen Verstand aufbereitet, in Schurken und Schergen, in Helden und Opfer aufzugliedern. Simon Curtis hat das alles vermieden, und trotzdem ist hier ein schlagendes Herz zu spüren! Was eigentlich nicht anders sein darf, geht es doch um nichts weniger als Erinnerung und Gerechtigkeit. Erstere will Maria am Leben halten und zweitere für ihre Familie erwirken, als sie sich in die Arena zum Kampf gegen Kulturbonzen, Geschichtsverdreher und Winkeladvokaten begibt, um letztendlich an fünf Klimt-Gemälde zu kommen; allesamt Nazi-Beutekunst, die einst im Besitz von Marias Familie war. Unter den Werken befindet sich auch „Adele Bloch-Bauer I“, das berühmteste Bild von Klimt, die güldene Verewigung von Marias Tante. Auslöser für den Ritt durch Gerichte und Instanzen sind Briefe von Marias verstorbener Schwester, welche die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Besitzes neu stellen. Hilfe holt sich die rüstige Dame bei Randy. Ein Junganwalt, ein Greenhorn, ein Bübchen fast noch, das kaum eine Ahnung hat, wie es seine junge Familie ernähren soll.

Ein ganz wunderbarer, personell durchaus auch schräger Start in eine Geschichte, der auch so spannend zu folgen ist, weil sie eine wahre ist. Es ist die klassische David-gegen-Goliath-Versuchsanordnung, die das Leben Maria Altmanns in dieser letzten Phase prägt. Ausgerechnet eine ältere Dame, die viel zu lange Erinnerungen in die Rocksäume ihrer Provinzboutique verdrängen konnte, legt sich plötzlich mit gerissenen Anwälten, mit schmierigen Kunstverwaltern und zähnefletschenden Kulturbeamten, schließlich mit dem Land Österreich an. Das sieht man wirklich gern, hier besonders, weil der Fokus sich nicht auf ausufernde Gerichtsszenen richtet, diese sind pointiert gesetzt, sondern weil DIE FRAU IN GOLD elegant, anrührend und klug von großem Unrecht und schwer erkämpfter Wiedergutmachung erzählt. Wobei sich Letztere rein semantisch eigentlich ausschließt. Was gibt es schon „gutzumachen“, wenn man an Marias Eltern und die anderen sechs Millionen ermordeten Juden denkt?

Seine Energie, ja, seinen Kampfgeist zieht der Film sicher aus dem überlebensgroßen Plot, aber vielleicht noch viel mehr aus seinem Personal. So ist es ziemlich amüsant, wie Maria und Randy vorerst aneinander (ver)zweifeln, sie scheint ihm kompliziert, er ihr zu ängstlich. Der ansonsten so aristokratischen Helen Mirren steht Marias Schrulligkeit erstaunlich gut, und Ryan Reynolds möchte man in die Welpenwangen knuffen, obwohl man ahnt, daß dieser Hund auch Zähne hat.

Simon Curtis ist es gelungen, ein historisch belegtes Unrecht zu einem spannenden Filmroman zu verdichten, zu dem gehört, daß Randy, Enkel des großen österreichischen Komponisten Arnold Schönberg, seine Wurzeln besser versteht, und Maria schließlich auch mit eigener „Schuld“ irgendwie zurechtkommen kann. Sie hat ihre Eltern zurücklassen müssen, um selbst zu überleben. Mehr kann einem das Leben kaum aufbürden, möchte man meinen, als die bruchstückhaften Erinnerungen Marias wieder bildhaft werden, als die nunmehr gebrechlichen Ahnen und Erben vor dem Restitutionskomitee aussagen. Allerspätestens dann wird aus einem wie ein Thriller erzählter ein zutiefst humanistischer Film.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.