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Die Hochstapler

Oh, wundersame Leichtigkeit des Scheins

"Irgendwann war ich dann Dr. Becker", erinnert sich Torsten S. an seine Diplomatenkarriere beim Auswärtigen Amt. Weitere berufliche Höhenflüge, zum Beispiel als Organisator einer Nato-Sicherheitskonferenz im Gefährdungsgebiet Mecklenburg-Vorpommern, sollten folgen. Wie seinen berühmten literarischen Kollegen Felix Krull hat den gelernten Schrottzerleger die deutsche Provinz hervorgebracht. Hier ist es Bitterfeld, dann die Jugendstrafanstalt Torgau, Märchenwege entlang an Wichtigkeitsphantasien, schließlich wieder Gefängnis.

Er ist der pathologisch vielleicht bemerkenswerteste von vier Glücksfällen, die der Jurist und prämierte Drehbuchautor Alexander Adolph für sein Regiedebüt gewinnen konnte. Er macht nichts weiter, besser: nichts Geringeres, als rechtskräftig verurteilte Betrüger, mithin professionelle Märchenerzähler, ihrem Handwerk nachgehen zu lassen. Aus dem vielstündigen Material filterte er einen unterhaltsamen und - was das Schönste ist - auch gesellschaftspolitisch kantigen Dokumentarfilm über die Mechanismen des Betrügens und die Korrumpierbarkeit von mittleren bis maßlosen Lebensträumen. In nebeligen Zwischenbildern von Luxuskarossen und Swimmingpoolpartys verfolgt Adolph das Märchenhafte des ungehemmten Phantasierens ins Poetische.

Der Rest jedoch ist bestechend prosaisch: Schwindler im Eins-zu-Eins-Gespräch, die sich einmal mehr Sympathien erschleichen - vorgebliche Wertvermehrer für steuerlich Entrechtete, die der mehrfach konstatierten allgemeinen Gier perfide Rechnung tragen. Auch der "hilfsbereite" Immobilienmakler Mark Z., der Scheckbetrüger Peter G. und Jürgen H., der sogar für erfundene Mondexpeditionen spendable Investoren fand, stellen mit ihren strafrechtlich aktenkundigen Lebenserinnerungen jede Fiktion in den Schatten. Noch erfüllt vom Staunen über die Berechenbarkeit der anderen, sprechen sie davon, wie ihnen, den Habenichtsen, das Geld, das Vertrauen nur so hinterhergeschmissen wurde.

Die ausgeprägte Fähigkeit zur Analyse des Gegenübers eint sie. Aber vor den Konsequenzen des eigenen Handelns hat dieses beängstigende Talent stets Halt gemacht. Woanders aber, zuallererst bei den ach so vorsichtigen Kreditinstituten und den oh so verlustvortrags- und steuerabschreibungserfahrenen Besserverdienenden, trug der Schwindel bisweilen sechsstellige Früchte. Und fast, manchmal, gelegentlich will man applaudieren ...

D 2006, 84 min
Verleih: Majestic

Genre: Dokumentation

Regie: Alexander Adolph

Kinostart: 19.04.07

[ Sylvia Görke ]