D 2010, 130 min
FSK 12
Verleih: Universal

Genre: Drama, Thriller, Science Fiction

Darsteller: Bernadette Heerwagen, Daniel Brühl, Johanna Wokalek, August Diehl, Susanne Lothar, Ernst Stötzner, Jürgen Vogel

Stab:
Regie: Lars Kraume
Drehbuch: Lars Kraume

Kinostart: 04.11.10

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Die kommenden Tage

Schwarze Stürme, blinde Flecken

Böse Zungen behaupten, der deutsche Kinofilm kann nur Endzeitstimmung. Er unterhielte eine fatale Liebe zum Scheitern und sei leidenschaftlich der Besorgniserregung verfallen. So gesehen verspricht Lars Kraumes Endzeitdrama die ultimative Verwirklichung eines unterstellten Nationaltalents zum Todernst – als prominent besetzte, aufwendig gefilmte und leinwandfüllend angelegte Dystopie.

Dieser Angsttraum einer Welt um 2020 hat seine Wurzeln im Heute und Gestern. So zumindest sieht er aus – eine stilistisch gewagte Implosion von Wohn-, Kleider- und Lebensmoden der letzten Jahrzehnte, befeuert von globalen Ressourcenkonflikten, gespickt mit frierenden Menschenhaufen in deutschen Parkanlagen und gähnend leeren Gemüseregalen. Eine Unzeit ist also angebrochen, auf daß einem der historische Orientierungssinn abhanden komme. Im Auge des Orkans ein gepflegter Berliner Großbürgerhaushalt: der Vater Anwalt mit Beziehungen in die Golfstaaten, die Mutter ein Bündel Wohlstandsverzweiflung, der halbwüchsige Sohn ein Rätsel, die beiden erwachsenen Töchter wandelnde Widersprüche. In Cecilia, der selbstzerstörerischen Nymphe, und Laura, ihrem fürsorglichen Gegenbild, kulminieren die fundamentalen, aber enorm eingeschränkten Handlungsalternativen dieses düsteren filmischen Abgesangs auf Euro- und Egozentrik. Die eine geht mit ihrem moralisch unberechenbaren Liebhaber Konstantin in der Terrororganisation „Schwarze Stürme“ auf, die andere in ihrem unbedingten Kinderwunsch. So oder so, sie alle werden untergehen.

Kraumes Flirt mit der Katastrophe kennt keine Gnade – nicht mit Terror, nicht mit Evolutionsoptimismus. Fleißig und gründlich im Einsammeln von Zukunftsängsten, projiziert er schlimmste Befürchtungen über eine in Schmerbäuche und Hungerleider, Resignierte und Wütende gespaltene Weltgemeinschaft aus der Gegenwart in die Zukunft. Aber das Bild will nicht scharf werden – ein apokalyptisches Gemälde mit blinden Flecken, und zwar genau dort, wo Gefühle und Motive, Ursachen und Wirkungen zusammenhängen. Deutscher Herbst und Krieg ums Öl, emotionale Unterkühlung und unvermittelte Überhitzung, kaputte Welt und zerbrechende Familie, geographische Weiten und kurze Wege, auf denen man gleich hinter Berlin einen anderen Kontinent betritt. Die gedanklichen Kurzschlüsse, so verwegen wie grell, werfen einfach zu wenig Licht.

[ Sylvia Görke ]