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Die Kunst des negativen Denkens

Kein falsches Mitleid mit Kiffern im Rollstuhl

Sie hatten einen schlechten Tag, leiden unter Geldsorgen oder Beziehungsproblemen? Treffen sie erst einmal Geirr, dann wissen Sie, was eine wirklich arme Wurst ist! Denn Geirr ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt und impotent. Seither verbringt er seine Tage bei runtergelassenen Jalousien, mit schlechten Kriegsfilmen, Selbstgeißelungen und Johnny Cash ...

Das erstaunlichste an BŒrd Breiens nachtschwarzer Komödie aus Norwegen ist jedoch, daß Sie sich noch nicht einmal schuldig fühlen werden, wenn sie politisch völlig indiskutabel über einen Behinderten im Rollstuhl lachen, denn der Regisseur verbannt jedes falsche Mitleid. Und Gruppentherapie bekommt auch plötzlich eine ganz andere Dimension, denn schon bald wird klar, wer das größte Problem von allen hat: die furchtbar anstrengend positive Sozialarbeiterin Tori. Mit dem lapidaren Rüstzeug einer Think-Pink-Mentalität aus dem Selbsthilferegal ausgestattet, welche mitunter diktatorische Züge annimmt, reist sie mitsamt ihren Schützlingen zu Geirr und seiner Frau Ingvild. Marte, die seit einem Bergunfall rein gar nichts mehr bewegen kann, strahlt neben ihrem besorgten Mann Gard, als hätte sie gerade das große Los gewonnen. Asbjorn, der seit einem Schlaganfall alles verlor und die eingebildete Kranke Lillemor sind ebenfalls neugierig auf die neuen Gruppenteilnehmer. Doch Geirr macht deutlich, daß er alles andere als kooperativ an der Verbesserung seiner Lage mitarbeiten will. Im Gegenteil, innerhalb von kürzester Zeit hat er die Gruppenleitung an sich gerissen, und auf dem Therapieplan stehen Handgreiflichkeiten, Saufgelage, Kiffen und die Kunst des negativen Denkens.

Dabei gehen nicht nur eine teure Wohnzimmereinrichtung sondern unter anderem auch Gards Betroffenheitsmaske und Martes falsches Lachen zu Bruch. Diese neue Methode scheint also endlich alles Verlogene, Heuchlerische und Demutsvolle freizulegen. Am nächsten Morgen haben zumindest alle Teilnehmer wieder eine echte Perspektive und sogar Ingvilds und Geirrs Liebe eine neue Chance.

Schonungslos und mit grundehrlichem, trockenen skandinavischen Humor packt Breien mit seinem Langfilmdebüt die Fakten auf den Tisch: Wir scheißen auf alle, die so tun, als ob sie uns und alles verstehen!

Originaltitel: KUNSTEN Å TENKE NEGATIVT

Norwegen 2007, 79 min
FSK 12
Verleih: Kool

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Fridjov Saheim, Kirsti Eline Torhaug, Kjersti Holmen, Marian Saastad Ottesen, Henrik Mestad

Regie: Bård Breien

Kinostart: 18.09.08

[ Susanne Schulz ]