Originaltitel: UN MONDE PLUS GRAND

F/Belgien 2019, 100 min
FSK 12
Verleih: MFA

Genre: Drama

Darsteller: Cécile de France, Narantsetseg Dash, Tserendarizav Dashnyam, Ludivine Sagnier

Regie: Fabienne Berthaud

Kinostart: 09.07.20

1 Bewertung

Eine größere Welt

Nach einer wahren Geschichte …

Vielleicht hätte man es diesmal wirklich umdrehen sollen. Schrifttafeln, die im Abspann auf die echte Corine Sombrun verweisen, eine Französin, die sich in der Mongolei zur Schamanin ausbilden ließ und seit 2006 mit westlichen Wissenschaftlern über Trancezustände forscht, wären besser im Vorspann aufgehoben. Weil man als gesetzter Mitteleuropäer, Atheist und im Grunde fein situierter Bürger (sowie ambitionierter Kinogänger) eben gern das Reich des weltfernen Brimboriums bemüht, trommeln auf der Leinwand die Trommeln, räuchern die Stäbchen und werden schöne Frauen zu greinenden Wölfen. EINE GRÖSSERE WELT aber ist mehr als ein verdammt guter Titel.

Grelles Weiß umturnt das Liebesspiel im Bett. Unwirkliches Weiß also, und das hat im Film nie Gutes zu verheißen. Corine wacht am Morgen danach folgerichtig alleine auf. Ihr Mann ist gestorben, sie selbst im Taumeln nach dem Verlust. Cécile de France spielt diese Trauer ganz stark, ebenso das, was ihr nach und nach neue Luft verschaffen soll, obwohl es alles andere als leicht verdaulich ist. Corine arbeitet als Tontechnikerin in einem Musikstudio, ihr Mann Paul war Cellist. Die Fehlerquelle im Job ist Corine selbst, nicht die Technik. Deshalb stellt sie ihr Chef vor die Wahl, nach Afrika, Tibet oder in die Mongolei zu fliegen, um O-Töne und Feldaufnahmen für Projekte zu machen. „Was ist am weitesten weg?“, fragt sie. Es wird die Mongolei.

Das aber, was Corine in dieser – natürlich – sagenhaften Umgebung mit – natürlich – eindrucksvollen Menschen erleben, besser, durchleben wird, stellt sie vom Fuß auf den Kopf und glücklicherweise wieder zurück. Der Geist des Wolfes wird während einer traditionellen Beschwörungszeremonie in sie fahren, weshalb Corine fast schon lustig feststellt, sie müsse fortan wohl zum Tierarzt. Dann, wieder daheim, läßt sie sich komplett von Spezialisten durchchecken, die Köpfe, Hirne und Zellverdunklungen erklären können. Daß Corine, die im Grunde Gesunde, nach Asien zurückkehren wird, hatte ihr die alte Frau vor Ort schon gesagt.

Wir sitzen hier nicht bei Terrence Malick oder Abel Ferrara. Regisseurin Fabienne Berthaud kommt nach BARFUSS AUF NACKTSCHNECKEN und SKY schneller und genauer auf den Punkt, gleitet nicht ins Geschwurbel ab, sondern bleibt einer echten Frau auf der Spur, der das kaum Faßbare begegnet, weil sie es durchmacht. Und sie macht etwas daraus.

[ Andreas Körner ]