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Eine Schwalbe macht den Sommer

Himmel zum Greifen nah - ein Kinogedicht

Als Sandrine sich den Bauernhof weitab von Menschen und Straßen kauft, hat sie keine Ahnung, worauf und vor allem auf wen sie sich einläßt. Die Winter in den französischen Voralpen sind hart, und Adrien, der alte Besitzer des Hofes, will weder das Feld räumen noch Sandrine unterstützen. 18 Monate gesteht sie im vertraglich zu. Was nun beginnt, ist allzu menschlich, heilsam und vor allem traumwandlerisch schönes Kino.

Sandrine ist auf der Flucht vor sich und dem Leben. Sie hat das Großstadtchaos satt, tauscht Internet gern ein für Landwirtschaft und Ziegenmelken. Adrien hingegen hat die ganzen Modernisierungen der Agrarkultur über, schwere Zeiten hinter sich und will eigentlich nur noch seine Ruhe. Argwöhnisch beobachtet er Sandrines Aktionen und macht ihr das Leben nicht unbedingt leichter. Sicher, man wechselt mal ein Wort, beäugt sich. Doch eine Schwalbe macht noch nicht den Sommer, eine Annäherung noch keine Freundschaft. Auch Sandrine hat ihren Stolz - mit fast 30 Jahren hat sie sich durchgerungen, ihren eigenen Weg zu gehen. Mit Skepsis und Unglauben reagierten Familie und Freunde. Doch Geduld, die alten Wunden werden heilen. Die beiden werden sich an-nähern, mühsam, Schritt für Schritt.

Natürlich sind es vordergründig die vertauschten Geschlechterklischees, mit welchen der Film jongliert. Die Frau kämpft sich als Aussteigerin durch, melkt, hämmert, sägt. Der Mann kocht und schwelgt in Tanzerinnerungen. Doch Regisseur Carion hat nicht vor, uns über unser Leben zu belehren. Kein "Zurück zur Natur! Melkt Ziegen! Schlachtet weniger Kühe!", eher ein "Schaut her, wie würde es euch gehen?". Behutsam nähert er sich dem wohlverborgenen Innenleben seiner Protagonisten. Michel Serrault erweist sich dabei als Glücksgriff, verschafft dem vergnatzten Adrien die perfekte Balance zwischen Kantigkeit und Sehnsucht. Die französischen Voralpen werden zum dritten Hauptdarsteller, eine wundervolle Szenerie, weitläufig, vom Wind durchfurcht und wuchtig.

Mit 2,5 Millionen Besuchern in Frankreich der Überraschungserfolg des Jahres (das alte Lied: wo ist der Kinopatriotismus hierzulande?), wird die herbe Kinopoesie auch bei uns fesseln. Eine Schwalbe macht manchmal eben doch den Sommer!

Originaltitel: UNE HIRONDELLE A FAIT LE PRINTEMPS

F 2001, 103 min
Verleih: Prokino

Genre: Poesie, Komödie

Darsteller: Mathilde Seigner, Michel Serrault

Regie: Christian Carion

Kinostart: 01.08.02

[ Roman Klink ]