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Houston

Eine Geschichte vom Scheitern

Clemens Trunschka wirbt Topmanager für deutsche Unternehmen ab. Sein neuer Auftrag ist eine Riesennummer. Ein großer deutscher Automobilbauer will den Chef einer amerikanischen Ölfirma als neues Vorstandsmitglied gewinnen. Ein Job, auf den Trunschka schon immer gewartet hat. Aber schnell wird klar, daß dies eine Nummer zu groß für ihn ist. Doch anstatt das Feld zu räumen, hält er den Schein aufrecht und verstrickt sich immer tiefer in eine Geschichte, die seinen Untergang bedeutet.

Auf den ersten Blick will Ulrich Tukur nicht so recht in die Rolle des alkoholsüchtigen Headhunters Trunschka passen. Zu normal, zu liebenswürdig, zu ungefährlich wirkt der großartige Schauspieler hier. Aber genau dieses Gegen-die-Rolle-Besetzen braucht der Film, denn HOUSTON erzählt eine Geschichte vom Scheitern. Nachdem die geplante Kontaktaufnahme in Deutschland nicht zustande gekommen ist, muß Trunschka seinem Zielobjekt, das auf Schritt und Tritt von einer Horde Sicherheitsleute abgeschirmt wird, nach Amerika folgen. Die Wolkenkratzer der Metropole türmen sich so hoch auf wie die Mauern, die Trunschka auf seinem Weg zum Ziel nicht wird überwinden können. Der Mann, der am Anfang des Films mit seiner Familie im heimischen Garten Tischtennis spielt, ist dieser Liga der Macht einfach nicht gewachsen.

Regisseur und Autor Bastian Günther erzählt diese Geschichte ohne die rasende Geschwindigkeit und Action, die ein solches Thema erwarten läßt. Er konzentriert sich voll und ganz auf den langsamen Fall eines Stolpernden, seziert das Schicksal des Handlungsreisenden Trunschka in schwebenden Bildern. Die bieten der Hauptfigur auch keinen festen Boden unter den Füßen. Sie schwanken, verschwimmen, verweigern den Halt. Wie Trunschka selbst. Durch den Alkohol und die zunehmende Verzweiflung über seine Lage. Tukur meistert die Emotionslosigkeit der Hauptfigur grandios. Ohne jede sichtbare Regung trägt er seinen Charakter durch den Film und zeigt viel, wenngleich nicht alles, von seiner außergewöhnlichen Klasse und behält selbst eingezwängt in ein solches Rollenkorsett die Oberhand gegen einen furios aufspielenden Garret Dillahunt an seiner Seite.

Unbedingt erwähnenswert ist neben der wunderbaren Breitbildfotographie von Michael Kotschi noch die Musik von Elektronikurgestein Michael Rother. Das frühere Kraftwerk-Mitglied schafft mit dem Soundtrack die ideale Ergänzung in Bastian Günthers stimmigem Gesamtkonzept.

D 2013, 107 min
FSK 12
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama

Darsteller: Ulrich Tukur, Garret Dillahunt, Jenny Schily

Stab:
Regie: Bastian Günther
Drehbuch: Bastian Günther

Kinostart: 05.12.13

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...