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Ich will mich nicht künstlich aufregen

Kunst in der selbstreferentiellen Sackgasse

Was flüstert Hannelore Hoger da dem Bundespräsidenten ins Ohr, so etwa in der Mitte des Filmes? Es bleibt für uns ebenso unhörbar wie der berühmte Flüsterer zwischen Bill Murray und Scarlett Johansson in LOST IN TRANSLATION. Nun gut, Joachim Gauck ist eine reale, öffentliche Figur. Hoger andererseits spielt im Film eine Rolle: Als Mutter der Protagonistin Asta will sie dieser dabei helfen, ihr bei den Förderinstitutionen durchgefallenes, medienkritisches Ausstellungsprojekt „Das Kino. Das Kunst“ zu realisieren. Vermutlich wirbt sie auf der Ebene der Filmhandlung also beim Präsidenten um Einflußnahme. Andererseits verkörpert Hoger als bekannte Schauspielerin irgendwie auch sich selbst. Verweise über Verweise also, ein Vektorengarten regelrecht. Den Regisseur Max Linz auch gar nicht entwirren will. Im Gegenteil, er schickt dann einfach mal ein paar Filmfiguren zum Gärtnern. Verzeihung: „Urban Gardening“, wie man in Berlin jetzt sagt.

Klar ist: Es geht um Systemkritik. Die Kunst- und Filmproduktion gedeiht auf schlechtem Boden, hat Linz auf der Filmhochschule selbst erfahren. Also macht er einen Antifilm, in dem nicht gespielt wird, sondern zitiert. Wie bei Jean-Luc Godard. Oder Harun Farocki. Nur: Man kann einfach heute nicht mehr rumlaufen und wie Adorno sprechen. Doch auch das weiß der Film und steuert dagegen mit einem Schuß Ironie. Da trifft man sich dann zum Beispiel beim Brecht-Yoga, wobei man lernt, seinen Körper als konstruiert zu erkennen. Kommuniziert wird insgesamt über ein lupenreines Kulturbetriebs-Sprech. Zum Ausgleich werden aber die Sprecher durch verschiedene Milieus gereicht. Mal sind es Behinderte, mal Kreuzberger Türken. Soll einer sagen, da entstehe keine Différence ...

Was aber ist die Differenz bei Asta, der jungen, intellektuell gestählten Kuratorin, die sich komplett in das aseptische Ambiente des Filmes fügt? Weniger ein Charakter als eine schwebende Kunstkritik-Maschine. Frankensteins Monster, das immer das Richtige sagt. Und kleidungstechnisch nie versagt. Manchmal nimmt Linz es sich heraus, sie in Close-ups beim Betrachten eines Filmes zu filmen, wie Godard einst Anna Karina. In der Hoffnung, die Kunst würde schon ihre Bedeutung hinzufügen. Aber tut sie das wirklich? Das kann hier in der Tat jeder nur für sich entscheiden. Es ist jedenfalls beruhigend, daß in Deutschland ab und zu noch mal ein solcher Querschläger-Film entsteht. Und wenn es die berühmte Ausnahme von der Regel ist, so immerhin eine vergnügliche.

D 2014, 94 min
Verleih: Arsenal Institut

Genre: Experimentalfilm

Darsteller: Sarah Ralfs, Hannelore Hoger

Regie: Max Linz

Kinostart: 15.01.15

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...