Originaltitel: MISS YOU ALREADY

GB 2015, 115 min
FSK 6
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Schicksal

Darsteller: Drew Barrymore, Toni Collette, Paddy Considine, Dominic Cooper, Jacqueline Bisset

Regie: Catherine Hardwicke

Kinostart: 31.03.16

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Im Himmel trägt man hohe Schuhe

Stolpern inklusive

Beste Freundinnen, man weiß es, sind stets füreinander da. Selbst dann, wenn die eine, nennen wir sie Milly, als Karrierefrau durchstartete, den wilden Traummann an ihre Seite sowie zum Vater zweier Kinder zähmte, dabei gewissen verwöhnten Egoismus entwickelte und sich öfter eben nicht so wirklich um die Kindheits-Kumpeline sorgt. Jene taufen wir Jess, eine ruhige, besonnene Person, welche alles für ihre geliebte Umgebung tut und darunter leidet, trotz jahrelanger Versuche immer noch keine Mama zu sein.

So weit die Ausgangssituation, welche Drehbuch und Regie treffend skizzieren, voller sarkastischer Sprüche, hohes Tempo inklusive. Was sich auch erst mal nicht ändert, als Milly erfährt, an Brustkrebs zu leiden. Nach dem ersten Schock rückt sie der Krankheit gewohnt tatkräftig auf den potentiell tödlichen Pelz, informiert die Familie und natürlich Jess, legt sich in brillant inszenierten und fast noch besser gespielten Szenen eine Perücke zu oder erklärt den Kleinen, was Krebs ist. Sogar den nachfolgenden Absturz kriegt Regisseurin Catherine Hardwicke ordentlich erzählt, indem sie weiterhin Larmoyanz vermeidet, ruhige Töne wählt. Ganz wundervoll etwa die große Jacqueline Bisset als Millys Mutter, es gut meinend, aber überfordert und deswegen nicht gerade subtil im Verhalten, deren in Stücke zersplittertes Seelenheil sicher auf den Punkt gebracht wird mit einem winzigen, fast zu überhörenden Satz: „I’m Trying, Milly.“

Doch irgendwann kippt diese Unaufgeregtheit, dann gerät Milly zur von ihrem Schicksal komplett vereinnahmten Zicke, was einerseits zwar schon Verständnis bedingt, andererseits allerdings nur Stationen abhakt: der obligatorische lautstarke Party-Ausraster, das von Anfang an befürchtete „Losing My Religion“ zur musikalischen Untermalung einer emotionalen Sequenz, überhaupt der Wechsel von dezenter Akustik hin zum aussagekräftigen Liedgut, die aufpoppenden Spannungen zwischen Jess und ihrem bislang geduldigen Mann, auch Kleinigkeiten wie der unfreiwillig komische Die-Kino-Soundanlage-zur-Arbeit-zwingen-Donnerschlag, als Jess dramatisch zu Boden fällt ... Hier rutscht Hardwicke auf dem Neuhang zur Effekthascherei aus, und obwohl die zwei tollen Hauptdarstellerinnen retten, was zu retten ist, bleibt ein Nachgeschmack, den selbst ein wiederum anrührendes Finale nicht vollständig wegzuspülen vermag.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...