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Jack In Love

Kleiner Film ganz groß

Daß Philip Seymour Hoffman ein brillanter Schauspieler ist, steht außer Frage. Punkt. Aber ob er auch als Regisseur was taugt? Wir betrachten zwecks Antwort sein auf einem Off-Broadway-Stück basierendes Debüt, in dem er selbst die Hauptrolle übernahm. Der Mann hat Rückgrat. Ganz im Gegensatz zum von ihm verkörperten Jack: ein schweigsamer Fleischklops. Im Umgang mit Frauen ungeübter Sonderling. Limousinenfahrer inklusive schrecklicher Mütze und adäquatem Haar. Fan von Boney M. außerdem. Sprich: eine herzzerreißende Gestalt. Und kein Hochglanz-Drehbuch-Entwurf, sondern einfach echt.

Lucy und Clyde, ein befreundetes Pärchen, wollen Jacks Single-Dasein nun beenden und vermitteln die schüchterne Connie. Beide Seiten sind im Small Talk wenig geübt, weshalb der Abend dann auch Koma-Geschichten und Tränen aufbietet; trotzdem kommt man sich näher. Connie möchte, daß Jack für sie ein Essen zaubert – er kann nicht kochen. Ihr zweiter Wunsch betrifft eine Bootsfahrt – Jack ist Nichtschwimmer. Doch für Connie wird der aus seiner Starre Erwachende alles lernen ...

Handlungstechnisch muß sich also keiner überfordert fühlen, denn viel mehr passiert kaum, abgesehen davon, daß Lucys einstige Affäre wieder zur Sprache kommt und für Probleme sorgt. Angesichts dessen mag die Frage im Raum stehen, wieso Hoffmans Regie-Erstling trotzdem auf die große Leinwand gehören soll. Nun, zunächst wären da hübsche visuelle Einsprengsel zum Aufbrechen der statischen Bühnenvorlage. Oder ein jederzeit gelungener Einsatz passender Songs, welcher manchmal gar zur personellen Charakterisierung dient. Etwa dann, wenn Jack höchst rührend mit „Rivers Of Babylon“ aus dem Bad gelockt wird. Vor allem aber – auf die Gefahr der Wiederholung – spricht unschlagbarer Realismus für eine Kinoauswertung. Alle vier Darsteller, begnadete Talente sowieso, geben ihren Figuren derart wahre Gesichter, daß man sich teils an eigenes Erleben erinnert fühlt. In der Konsequenz geraten sogar eigentlich vorhersehbare Entwicklungen à la unmögliche Liebesnacht zart, wunderbar und ehrlich.

Überhaupt: Hoffman verliert nie den Faden, beweist Einfühlungsvermögen und inszeniert diese Geschichte zweier Paare, welche nicht miteinander umgehen können – eines noch nicht, das andere nicht mehr –, als große zwischenmenschliche Studie voller magischer Momente. Häufig schlicht zum Weinen schön.

Originaltitel: JACK GOES BOATING

USA 2010, 89 min
FSK 12
Verleih: Alamode

Genre: Liebe, Tragikomödie

Darsteller: Philip Seymour Hoffman, Amy Ryan, John Ortiz, Daphne Rubin-Vega, Tom McCarthy

Regie: Philip Seymour Hoffman

Kinostart: 24.02.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...