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Kurische Nehrung

Entdeckungsreise in Ostpreußen

Wenn der Kamera der Versuch gelingt, Landschaften einzufangen, wenn Licht und Schatten ihr Spiel spielen und ein großzügiger Schwenk über eine Bucht die vielfältige Farbpalette des Meeres aufnimmt, wenn Menschen ungezwungen und dennoch nicht frei von Emotionen aus ihrem Leben berichten, dann ahnt man schon, daß sich hier Obsession und handwerkliches Können gefunden haben.

Schon 1971 und 1972 drehte Volker Koepp in Ostpreußen und Litauen (GRÜSSE AUS SARMATIEN). Die Sehnsucht des 1944 geborenen Regisseurs nach jener Landschaft begann schon früh, nämlich 1963, mit dem Erscheinen von "Sarmatische Zeit", Gedichte von Johannes Bobrowski. Der in seiner neuesten Arbeit porträtierte 98 Kilometer lange und schmale Landstrich nun gehört zu zwei Landschaften, welche Koepp sich für eigenständige Filme bewahrte: die Gilge, ein Fluß im Memeldelta, der im Kurischen Haff mündet (1998 gedreht) und jetzt also die KURISCHE NEHRUNG. Koepps dokumentarisches Werk ist somit zum einen der Entwicklungslinie eigenen Arbeitens verpflichtet, zum anderen geht es ihm um Gegenden, in denen verschiedene Nationalitäten lebten und leben.

Koepp begibt sich auf filmische Entdeckungsreise in den heute in litauisches und russisches Staatsgebiet geteilten Landstrich, der sich oft nur wenige hundert Meter zwischen Haff und Ostseestrand erstreckt. Als zentrale Metapher für die Mobilität dieser Region - die Wanderungen, die Aussiedlungen, die Vertreibungen - sind die riesigen Wanderdünen leicht zu identifizieren. Koepp zeigt, daß die Landschaft hier eine so große Rolle spielt, daß auch die Menschen, die von dieser Natur umgeben sind, eine bestimmte Prägung erfahren haben.

Seiner Annäherung an diese Menschen merkt man die Erkenntnis an, daß diese unterschiedlich sind, und es keiner Technik im eigentlichen Sinne bedarf, um von ihrem Leben etwas in Erfahrung zu bringen. Es braucht Vertrauen und Atmosphäre. Wenn Renate, eine der Protagonistinnen im Film, von ihrem schwierigen Schicksal spricht, strahlt sie dennoch Optimismus aus. Dann wird zwischen großartigen Fotografien der Landschaft und Befragung ihrer Bewohner die Kurische Nehrung faßbar - als ein Ausdruck der Ganzheit von Mensch und Landschaft.

D 2001, 92 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Volker Koepp
Kamera: Thomas Plenert

Kinostart: 06.12.01

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.