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Lars und die Frauen

Der Junge mit der Seemannsbraut

Schnee liegt über dem kleinen Örtchen im hohen Norden, wo der Winter bis weit in den März hinein reicht. Die eisige Kälte ist aber nicht der einzige Grund, warum sich Lars Lindstrom so gern in der kompakten Garage verkriecht, die sein Zuhause ist. Er tut sein Bestes, um nicht aufzufallen, fliegt unter dem Radar, ist praktisch unsichtbar für seine Mitmenschen. Seinen Kollegen ist er als unerschütterlicher Mr. Sunshine bekannt. Seine neue Kollegin Margo, die mehr als offensichtlich ein Auge auf ihn geworfen hat, himmelt er im Stillen an. Sein einziges Refugium - neben der Garage - ist die Kirchengemeinde. Hier kann er sich öffnen, während er selbst vor seinem Bruder Gus und dessen Frau Karen Lars komplett dicht macht - noch stärker, seit Karen schwanger ist.

Als Lars überraschend mitteilt, er habe eine Freundin über das Internet gefunden, ist die Freude bei allen groß, jedoch nur von kurzer Dauer: Bianca ist Tochter einer Dänin und eines Brasilianers, Missionarin und Krankenschwester - im Karton geliefert und komplett aus Silikon. Ihr curriculum vitae steht auf der Packungsbeilage, und die fehlende Mobilität kaschiert Lars mit einem Rollstuhl. Trotzdem stellt sich jeder im Ort auf Bianca ein und versetzt Berge für Lars. Um den kümmert sich derweil die Ärztin im Ort, die den wahren Grund für seine Einbildung zu ergründen versucht.

Klingt irre? Ist es auch irgendwie, aber vor allem tief zu Herzen gehend! Ganz so wie die Filme Lasse Hallströms beschwört auch LARS UND DIE FRAUEN die Geborgenheit der Gemeinschaft. Es menschelt gewaltig in der nordischen Stadt, wo man traditionell zusammen rückt, wenn’s frostig wird und ausharrt, bis eben das Tauwetter einsetzt. Drehbuchautorin Nancy Oliver schafft eine fast schon beängstigend heile Welt. Niemand macht sich lustig über Lars, keine Steine liegen auf dem Weg zur Selbstfindung, die allerdings zahlreiche tragikomische Momente bereit hält.

Brillant besetzt ist der Eigenbrödler mit Ryan Gosling, der die Entwicklung vom zurückhaltenden Schnauzbartträger zum fahrigen Psychotiker im Kampf mit sich selbst glaubhaft verkörpert. Ihm zur Seite stehen die wunderbare Patricia Clarkson und ein Ensemble, dem man in noch jedem Moment die Liebe zum Projekt anmerkt. Gemeinsam verhilft man Lars zum festeren Stand im Leben und uns zum ergriffenen Tränenschneuzer.

Originaltitel: LARS AND THE REAL GIRL

USA 2007, 106 min
Verleih: Central

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Ryan Gosling, Patricia Clarkson, Emily Mortimer, Paul Schneider

Regie: Craig Gillespie

Kinostart: 13.03.08

[ Lars Tunçay ]