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Leergut

Mit 65 Jahren, da fängt das Leben an ...

Mal ehrlich: Eigentlich kann nichts schief gehen, wenn KOLYA-Regisseur Jan Sverák einen Film inszeniert, den sich sein Vater, Autor und Hauptdarsteller Zdenek Sverák erneut selbst auf den Leib geschrieben hat. Gerade deshalb erscheint es aber als schiere Unmöglichkeit, daß LEERGUT die hohen Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern im Gegenteil sogar noch übertrifft.

Wieder hat Sverák senior sich eine starke Altersrolle geschenkt - hier als Lehrer Josef, der völlig genervt den Schuldienst quittiert, seinen Lebensabend aber trotzdem nicht daheim bei der ständig meckernden Gattin absitzen möchte. Schließlich träumt Josef noch von willigen Zugbegleiterinnen in Reizwäsche ... Ergo muß eine neue Aufgabe her!

Einige Zeit später. Josef hat zwar diverse Fehlschläge erlitten, nun jedoch endlich eine Anstellung in der Leergutannahme eines Supermarktes gefunden. Plötzlich bieten sich unserem Pensionär wider Willen ungeahnte Chancen, denn hier kann er nicht nur für eine etwas schrullige Rentnerin Einkäufe erledigen, sondern zudem verkuppeln, was das Zeug hält. Der schweigsame Kollege, ein schüchterner Mitarbeiter, seine eigene, vom untreuen Ehemann verlassene Tochter - der einsamen Menschen gibt es (zu) viele. Und so macht sich Amor auf, in Josefs Gestalt nicht nur Pfandflaschen zu ordnen, sondern auch humane Hilfestellung zu leisten. Mit für alle Beteiligten ungeahnten, manchmal chaotischen und immer weitreichenden Folgen ...

Ein Gänsehaut-Soundtrack sowie stets wahrhaftig klingende Dialoge dienen dem Vater-Sohn-Gespann hier dazu, sich geplatzten Illusionen und verwundeten Seelen anzunähern, aus rührendem Witz wird die Geschichte eines Mannes geformt, der im Alter sein Leben unerwartet neu entdeckt. Und schließlich verbeugt sich das stille Wunderwerk mit dem unspektakulären Titel noch vor einer wahren Liebe, welcher jeder eingangs erwähnte erotische Traum rein gar nichts anhaben kann, weil diese Bindung so tief geht, daß sie kein äußeres Bekunden mehr braucht, ihr Genörgel quasi als verbales Ventil dienen muß. All das wärmt die Herzen im kühlen Januar, läßt mitfiebern und -fühlen. Nichts weniger als ein schlicht wunderbares Erlebnis.

Originaltitel: VRATNÉ LAHVE

Tschechien 2007, 103 min
Verleih: Kool

Genre: Tragikomödie, Liebe

Darsteller: Zdenek Sverák, Daniela Kolárová, Jirí Machácek,Tatiana Vilhelmová

Regie: Jan Sverák

Kinostart: 24.01.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...