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Marketa Lazarová

Meisterwerk des tschechischen Kinos

Es ist seltsam: Dieser Film war, nein, ist so etwas wie der große, mysteriöse Unbekannte. Ein Mythos. Ein Phantom. Ein Werk, von dem man immer mal hörte und las, das aber kaum jemand außerhalb seines Entstehungslandes gesehen zu haben schien. Dabei ist es ja nicht so, daß sein Regisseur Frantisek Vlácil (1924-1999) zu den gänzlich Unbekannten gehört. An die eigentümliche Poesie und Bildsprache von Filmen wie DIE WEISSE TAUBE (1960) oder SCHATTEN EINES HEISSEN SOMMERS (1977) mag sich glücklich erinnern, wer alt genug dafür ist. Wer sie indes wiedersehen (oder für sich entdecken) will, muß mit einer UK-Import-DVD-Box vorliebnehmen; in der Kulturnation Deutschland sind auch diese Kinomeisterwerke natürlich nicht erhältlich.

Was man hier auch deshalb erwähnen muß, weil nicht hoch genug anzurechnen ist, daß jetzt ausgerechnet Vlácils MARKETA LAZAROVÁ in einigen ausgewählten Kinos zur Aufführung kommt – gut 50 Jahre nach Entstehung dieses Werkes, das nicht nur im Schaffen des Regisseurs, sondern des tschechischen Kinos überhaupt den künstlerischen Höhepunkt markiert, zumindest nach Meinung der tschechischen Filmkritik. Nun sind solche Rankings in der Kunst immer etwas fragwürdig, dennoch steht die einsam eigenwillige Meisterschaft dieses Films außerhalb jeder Diskussion: MARKETA LAZAROVÁ ist ein Historien-Epos in Form einer filmischen Rhapsodie. Also eine Dichtung, ein Gesang in Schwarz-Weiß-Bildern. Ein Kino-Oratorium zwischen Traumdelirium und Realismus. Erzählt wird von einer Fehde zweier Clans im 13. Jahrhundert. Tschechische Raubritter gegen deutschen Adel. Zwischen die Fronten gerät Kaufmann Lazar, dessen Tochter Marketa, eigentlich dem Kloster versprochen, vom Sproß des tschechischen Clans entführt wird.

Nun sollte man sich hüten, von diesem Film eine stringent von A über B nach C erzählte Geschichte zu erwarten. Davon ist MARKETA LAZAROVÁ weit entfernt. Gleichwohl wirkt trotz oder gerade ob der Form des Artifiziellen, eines mitunter schon abstrahierenden, verfremdenden Sounddesigns, der ausführlichen Zwischentitel, der sakralen Musik oder in den harschen Bildmontagen eine Unmittelbarkeit, die tief in diese archaische Welt eintaucht. Darin durchaus einem Film wie Tarkowskis ANDREJ RUBLJOW (1966) verwandt, positioniert sich MARKETA LAZAROVÁ neben diesem auf Augenhöhe – und in einer künstlerischen Autonomie, die heute seltener denn je ist.

Originaltitel: MARKETA LAZAROVÁ

CSSR 1967, 165 min
FSK 16
Verleih: Drop-Out Cinema

Genre: Drama, Historie

Darsteller: Josef Kemr, Magda Vasaryova, Nadja Henja

Regie: František Vláčil

Kinostart: 01.12.16

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.