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Moolaadé – Bann der Hoffnung

Visuell bestechende Filmparabel aus Afrika

Ousmane Sembène, welterfahrener und agiler Altmeister des afrikanischen Kinos, zeigt nach FAAT KINÉ mit MOOLAADÉ den zweiten Teil einer Trilogie. Schauplatz diesmal ist ein Dorf in Burkina Faso: Vier kleine Mädchen sind auf der Flucht vor der rituellen Genitalbeschneidung und retten sich zu Collé, die vor Jahren bei ihrer eigenen Tochter Amasatou die Beschneidung verweigert hat. Collé greift in dieser Situation auf eine mythische Tradition zurück, sie macht von einem Schutzrecht Gebrauch - dem MOOLAADÉ. Für alle sichtbar durch ein am Eingang zum Hof gespanntes Seil, verbietet es Fremden den Zutritt. Doch die Beschneiderinnen geben nicht nach, sie fordern die Herausgabe der Mädchen, und als sie mit ihren Drohungen scheitern, wenden sie sich an den Dorfrat.

Collé, die als einzige den Bann wieder aufheben kann, soll gezwungen werden, sich der traditionellen Ordnung zu unterwerfen. Inzwischen löst der Verlobte von Amasatou, eben aus Europa heimgekehrt, die Verbindung zu seiner Braut, weil sie als "unrein" gilt, und die Mütter der geflohenen Mädchen versuchen, ihre Kinder aus dem Schutzraum zu locken. Und Ciré, der Ehemann Collés, setzt alles daran, seine Zweitfrau zur Vernunft zu bringen. Während im familiären Kräftemessen die erste Frau schließlich für Collé Partei ergreift, stellt sich im Dorf zunächst nur einer auf ihre Seite - ein fliegender Händler ...

Gleich zu Beginn seines Films zeigt Sembène in einer Plansequenz die dörflichen Wegebeziehungen und gleichsam die Struktur des Zusammenlebens auf. In diesem begrenzten, homogenen Raum inszeniert er in bestechenden Bildern eine komplexe Geschichte. Die Geschlechterbeziehung im Patriarchat steht im Mittelpunkt der Handlung, aber daß die Ordnung der Tradition auch auf der Abgrenzung nach außen gründet, wird ebenso zum Thema. Für einen trotzigen Versuch entgegen den Tatsachen, steht im Film die Entscheidung des Ältestenrates, alle Radioapparate der Frauen auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen. Das unbedingte Beharren auf Ritualen aber ist kein Garant mehr für Stabilität.

Der Kommentar dazu findet sich im Schlußbild einer in den Himmel aufragenden Fernsehantenne - der Fortschritt läßt sich nicht bannen. Die kulturoptimistische Attitüde des Regisseurs ist hier noch ein Ausdruck von Hoffnung.

Originaltitel: MOOLAADÉ

Senegal/F/Burkina Faso/Marokko/Kamerun/Tunesien 2004, 120 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Fatoumata Coulibaly, Maimouna Hélène Diarra, Salimata Traoré

Regie: Ousmane Sembène

Kinostart: 03.08.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.