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Oma & Bella

Intimes Porträt einer echten Freundschaft

In einem Dokumentarfilmseminar hörte der Rezensent einst die strenge Stimme des Dozenten sagen: „Sie können es sich gerne einfach machen und einen Film über ihre Oma drehen. Deren Lebensgeschichte mag ihnen äußerst interessant und erzählenswert vorkommen. Aber ich garantiere Ihnen, daß es Ihnen als Einzigem so geht.“ Zum Glück hat die Regisseurin dieser wunderbaren Dokumentation, wenn sie irgendwann ähnliche Lektionen in Demut zu hören bekam, diese ignoriert und die Geschichte ihrer Oma Regina und deren besten Freundin und Mitbewohnerin Bella auf Film festgehalten. Denn was man aus Alltag und Lebensgeschichte der beiden greisen Charlottenburger Jüdinnen, die die Enkelin mit der nur durch Verwandtschaft zu den Protagonistinnen möglichen Intimität filmt, hier erfahren darf, ist unbedingt erzählenswert, dazu bewegend und äußerst unterhaltsam.

Regina Karolinski und Bella Latz sind zwei alte Freundinnen, die sich in hohem Alter eine Wohnung in Berlin Charlottenburg teilen. Als Überlebende des Holocaust kamen sie nach dem Krieg nach Deutschland und zogen von einer Stadt in die andere, bis sie schließlich in Berlin eine neue Heimat fanden. Ihre Verbindung zu ihrer Kindheit in Polen sind die Gerichte, die sie tagtäglich kochen, und auf deren Zubereitung sie ihre meiste Zeit zu verwenden scheinen. Und während des Kochens läßt es sich bekanntlich gut reden. Über die alte Zeit, die schönen Erinnerungen von früher. Und schließlich auch über das eigentlich Unaussprechliche, die Schrecken der Lager.

Abgesehen vom vielleicht offensichtlichen Wert dieser Doku, die persönlichen Schilderungen der aussterbenden Zeugengeneration festzuhalten und jüdisches Leben in Deutschland auf sehr persönliche Art nahezubringen, hat Alexa Karolinski mit ihrem filmischen Begleiten der beiden schlagfertigen alten Damen noch viel mehr erreicht. Ihr ist das Porträt einer echten Freundschaft gelungen, die den Tod der Ehemänner, Kindsväter und Lebenspartner überdauert hat und nun im Alter großer Halt und ein Schutzschild gegen die bedrohliche Einsamkeit ist.

Dies bezeugen zu können, ist ebenso berührend wie inspirierend, und man kann als Zuschauer nur hoffen, daß einem eine solche Freundschaft, die derart robust alle Krisen überdauert, im eigenen Leben auch beschert sein mag.

D/USA 2011, 74 min
FSK 0
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation, Biographie, Poesie

Regie: Alexa Karolinski

Kinostart: 06.09.12

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...