D 2025, 113 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Dokumentation

Regie: Gerd Kroske

Kinostart: 09.10.25

Stolz & Eigensinn

Ohne Bitterkeit

Helmut Kohls Versprechen der blühenden Landschaften erfüllte sich in Industriebrachen, welche sich die Natur zurückeroberte. So beschreibt es eine der Protagonistinnen im Dokumentarfilm STOLZ & EIGENSINN, als sie auf die Wendezeit zurückblickt.

Verschiedene Frauen erzählen von ihren Erfahrungen als Arbeiterinnen in der Schwerindustrie in der DDR. Sie waren damals Pionierinnen in einer Männerdomäne, Vorzeige- und mitunter auch Alibifrauen für das Gleichberechtigungspostulat im real existierenden Sozialismus. Die Arbeiterinnen steuerten gigantische Tagebaubagger, verluden Züge mit Briketts, überwachten die Prozesse im Chemiewerk Leuna oder fertigten Schuhe im Akkord, und das alles im Dreischichtsystem mit Familie und Kindern. Anerkennung, guter Verdienst und Spaß an der Verantwortung nennen sie auf die Frage, warum sie sich dieser oft schweren und dreckigen Arbeit stellten. Nach der Wende war es für die meisten vorbei, Frauen waren in diesen Berufen nun unerwünscht. Entwertungserfahrungen machten sie alle, manche konnten umsatteln, andere gingen in Frührente. Spurlos ging die Zeit an keiner vorbei, trotzdem findet man in den Gesprächen erstaunlich wenig Bitterkeit, eher Stolz auf die eigene Lebensleistung. 

Der Film von Gerd Kroske verdankt seine Entstehung einem Zufall: Als der Leipziger Dokumentarfilmer für ein anderes Projekt recherchierte, stieß er in einem Archiv auf im Jahre 1994 vom Videokünstler Norbert Meissner gedrehte Interviews mit Industriearbeiterinnen. Elektrisiert vom Material, machte sich Kroske auf die Suche nach den Protagonistinnen und konnte neun von ihnen überzeugen, wieder vor die Kamera zu treten. Im Splitscreen-Verfahren setzt er die Aufnahmen von damals neben die aktuellen Interviews. Oft kommentieren die Frauen ihr jüngeres Selbst. Darin liegt ein großer Reiz, haben sich doch 30 Jahre Leben in die Gesichter gegraben. 

Visuell prägt der Gegensatz zwischen analogen und digitalen Aufnahmen den Film. Die Bilder haben gewissermaßen Patina. Kroske montiert sie sensibel neben- und gegeneinander, statt das Material anzugleichen. Dabei vermeidet er jegliche Glorifizierung der Vergangenheit. So ist seine beeindruckende Dokumentation auch eine Zeitreise in ein längst vergangenes Industriezeitalter, dessen Überbleibsel man heute allenfalls auf Sonntagsausflügen bestaunt.

[ Dörthe Gromes ]