Originaltitel: HOPE GAP

GB 2019, 101 min
FSK 6
Verleih: Tobis

Genre: Drama

Darsteller: Annette Bening, Bill Nighy, Josh O’Connor, Aiysha Hart, Nicholas Burns

Regie: William Nicholson

Kinostart: 29.07.21

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Wer wir sind und wer wir waren

Szenen und Abspann einer Ehe

Fast 30 Jahre sind Grace und Edward verheiratet, man philosophiert und zitiert tagein, tagaus vor sich hin, thematisiert persönliche Lieblingssujets, am Ohr des Gegenübers vorbeirauschend statt eindringend. Dazu verordnet Grace den Gatten ganz deutlich unterm Pantoffel, Genöle trifft Desinteresse, ihre fordernde Heißblütigkeit läuft in seinem Gleichmut vollkommen leer. Und trotzdem mag Grace das Beieinander, den gereichten Tee, die Vertrautheit respektive Gewöhnung. Bis Sohn Jamie zum Besuch antritt: Erst läuft die Dreierkonstellation mit beredtem Schweigen und kommunizierten Nichtigkeiten warm, dann erklärt Edward die Ehe für beendet, einer anderen Frau wegen. Angela.

Ein Vermeider und Feigling, der offensichtlich auf Jamies Präsenz im Rücken lauerte! Grace scheint’s gut zu kennen, wischt die Ansage stirnrunzelnd weg, selbst ihrer Bitte um eine zweite Chance wohnt klare Dominanz inne. Aber das war’s wirklich, Edward agiert – natürlich – gemäß Angelas Wünschen, und die weiß genau, was sie will. Und während Jamie nun zwischen die Fronten gerät, gar Übermittlungsdienste leisten muß, kocht einiges im Rampenlicht: Verzweiflung, Neuordnung, Schmerz, Schuldzuweisung, schlechte Metaphern. Vor unseren Augen brechen Charaktere frei, die sich eigentlich nie hätten nähern dürfen, zur falschen Zeit gemeinsam im falschen Zug saßen, aus falschen Gründen das Doppel wagten: Sie versucht – wie lange schon? – erfolglos, seine Wünsche herauszukitzeln, und geriet darob zur am Respektlosen schrammenden Alles-Entscheiderin, zwangsweisen Matriarchin, er bevorzugt die totale Anpassung. Und fand in Angela eine neue Herrin.

Die Regie zeigt sich da zurückhaltend, wählt beobachtend gewahrte Distanz als Stilmittel, läßt die Duellisten Annette Bening und Bill Nighy einfach machen – und wie! Recht einsamer inszenatorischer Höhepunkt: ein vorsichtig tastendes Kamera-Schleichen durchs Haus, um schließlich Grace emotional zerstört zu finden. Dafür baut das Skript jede Menge entdeckenswert effektive Stolperfallen, vollführt mittendrin plötzlich einen temporären, krassen Schwenk zur Komödie, erlaubt Benings Grace ein paar grandios scharfzüngige Bette-Davis-Momente. Nur passend, wußte doch einst die vierfach Vermählte: „Love Is Not Enough. It Must Be The Foundation, The Cornerstone – But Not The Complete Structure. It Is Much Too Pliable, Too Yielding.“

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...