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Yella

Eine verstörende Traumkomposition

Schon am Beginn, die Aufnahmen aus einem fahrenden Zug sind zunächst verwischt, später geben sie den Blick frei auf eine in Tristesse versunkene Landschaft, liegt die Deutung eines Traumbildes nahe. Und Christian Petzold wird, wenngleich er eine Geschichte erzählt, das Festhalten an einer solchen, die Wahrnehmung einer Stringenz und eines Tatsächlichen, immer wieder brechen.

Yella, konzentriert, zielstrebig und zugleich verängstigt-fragil wirkt Nina Hoss hier in ihrem Spiel, will noch einmal anfangen. Im Westen, jenseits der Elbe, sucht sie ein neues Leben, eines, das mit Arbeit Zukunft verbindet (und Zukunft mit Arbeit) und den Ehemann nebst Konkursfirma hinter sich lassen will. Als sie Philipp kennenlernt, sich als seine Assistentin in der Kapitalwelt bewährt und schließlich zu seiner Gefährtin wird, scheint das Neue greifbar nah. Doch die Vergangenheit läßt sich nicht vergessen. Bilder und Stimmen, unvermittelt brechen sie ein in ihr Leben, tauchen auf aus dem Ort, den sie verlassen glaubte. In Gestalt verfolgt sie der Ex-Mann Ben, weil er ohne sie nicht sein will, taucht der krächzende Krähenvogel auf im Wipfel eines Baumes und begleitet von einem plötzlich aufkommenden Wind. Yella aber kämpft mit Unbedingtheit gegen das, was zurück bleiben soll und um ihr neues Leben.

Christian Petzold erzählt nach GESPENSTER von einer zerrissenen Frau (in einem zerrissenen Land), gefangen zwischen dem Wunsch, nach Hause heimkehren zu können und dem Gefühl, ausbrechen zu müssen. Ein solcher Wechsel von Nähe und Distanz bestimmt ebenso die schlichte, eindringliche Bildsprache. Und die Einsamkeit ist allgegenwärtig: menschenleer sind Petzolds Stadt- und Flußlandschaften, Orte, an denen die Wahnvorstellungen der Protagonistin Platz finden. Die Entfremdung zugleich vom eigenen Leben, das Gefühl des Verlassenseins, findet zudem Bilder in sich wiederholenden Einstellungen, wie dem Blick auf den sterilen Schick eines Hotelzimmers oder auf Yellas dem Tod ähnlichen Schlaf, indem sie in unnatürlichen Verrenkungen liegt.

Das Rot der Bluse, die sie nicht wechselt, ist ebenso, wie der immer wieder die Schallmauer durchbrechende Tiefflieger und punktgenaue Zufälle, ein Argument gegen das Vergehen der Zeit.

Wenn einige Szenen daneben in ihrer Manieriertheit herausragen, scheinen auch diese Verweise zu sein. Auf eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit.

D 2007, 89 min
Verleih: Piffl

Genre: Drama, Mystery

Darsteller: Nina Hoss, Devid Striesow, Hinnerk Schönemann

Regie: Christian Petzold

Kinostart: 13.09.07

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.