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Lebenswenden, schräge Töne und viel Prominenz

Ein Blick auf die 15. Filmkunstmesse

Während dieser Text entsteht, brodelt draußen die Hitze. Man verschafft sich zwar schon Kühlung mit dem Fön, aber wir versprechen: Der September wird noch heißer! Denn dann geht die 15 Filmkunstmesse an den Start. Einen Slogan gibt’s, analog zum Vorjahr, auch heuer nicht, obwohl die Branche unter einem knackigen Themendach diskutieren wird, welches „Kino: Dafür werden Filme gemacht?“ lautet. Bedeutet: Hinter den Kulissen, vom Publikum unbemerkt, brennen in Workshops, Seminaren und internen Veranstaltungen Fragen à la: Wie steht es um die Zukunft nicht allein, aber zentral des deutschen Films? Wie bekommt man den Nachwuchs ins Kino? Fachleute sollen Impulse senden, empfangen, gemeinsam Konzepte erarbeiten. Vielleicht stellt Leipzig da ja sogar langfristige Entscheidungs-Weichen! Aber ganz klar sitzt auch der Spaß nicht etwa am Katzentisch, als Leipziger weiß man bereits um die (teilweise weit) vor Bundesstart öffentlich präsentierten Filme. Die Organisatoren versprechen „viele schöne Sachen ...“, und übertrieben ist das keinesfalls. Allein jede der drei Eröffnungsveranstaltungen überzeugt auf unterschiedliche Art: In EWIGE JUGEND, einer eigenwilligen Senioren-Ballade und dem neuen Werk von Cinemagier Paolo Sorrentino, geht’s mit Michael Caine, Harvey Keitel sowie Rachel Weisz starbesetzt um zwei alte Männer, deren Lebensabend eine berührende, frische Wende nimmt. Wenn dagegen die hinreißende Catherine Frot als reich-gelangweilte MADAME MARGUERITE auftritt, wird’s schräg, kann die Dame doch wirklich überhaupt nicht singen, tut es aber inbrünstig und startet in den Goldenen Zwanzigern gar eine Opern-Karriere! Schließlich markiert EISENSTEIN IN GUANAJUATO Peter Greenaways rauschende Leinwandrückkehr, in der sich alles um seinen ähnlich rebellischen Regie-Kollegen Sergej Eisenstein und dessen Reise eben nach Guanajuato dreht, wo er eine völlig andere, ihn nachhaltig beeinflussende Welt vorfindet.

Weitere Höhepunkte sollen kurz gefaßt bleiben: In VALLEY OF LOVE verarbeiten Isabelle Huppert und Gérard Depardieu den Tod ihres Sohnes, EL CLUB widmet sich dunklen Geheimnissen innerhalb der katholischen Kirche, Bille August führt Paprika Steen durch das sensible Familiendrama SILENT HEART, eine zum Verlust freigegebene Jungfräulichkeit provoziert in ATOMIC FALAFEL fast einen Atomkrieg. Weiterhin veranstalten Nick Nolte, Robert Redford sowie Emma Thompson beim Bezwingen des Appalachian Trail, des längsten Fußwegs der Welt, ein PICKNICK MIT BÄREN, und in DIE SCHÜLER DER MADAME ANNE engagiert sich die wunderbare Ariane Ascaride für diejenigen, die ohne Silberlöffel klarkommen müssen.

Natürlich dürfen wir uns zudem auf illustre Gäste freuen, unter anderem sollen die Regisseure vom an ALS erkrankten HERBERT und der Gegensätzliche-Brüder-Geschichte IM SOMMER WOHNT ER UNTEN anreisen, während zur Nachwuchsdirigenten-Doku CONDUCT! Orchestermusik erklingt. Jugendjury (ganz neu ist der von ihr prämierte Gewinnerfilm am Freitag nochmals zu sehen), Publikumspreisverleihung, die finale Best Of-Zusammenstellung, Vorfilmtest oder Midnight Special sind eh unverrückbare Größen. Ergo, wie eingangs gesagt: Der September wird heiß ...

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...